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Miss Seeton riskiert alles

Miss Seeton riskiert alles

Titel: Miss Seeton riskiert alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
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kriegen immer dieses Zimmer. Es hat Zentralheizung.«
    »Irgendeine Schwierigkeit, meinen Mann hineinzuschmuggeln?«
    Derricks Grinsen wurde breiter. »Nein!« Er sah keinen Grund, Thatcher zu erzählen, wie leicht es war. Keinen Grund, den anderen nicht glauben zu lassen, daß er den Lohn verdiente. »Was soll ich morgens sagen, wenn sie etwas angeschlagen ist?« fragte er.
    »Nichts. Laß den Mann ins Haus, zeig ihm, wie er hinauskommt, zeig ihm ihr Zimmer! Dann mach, daß du ins Bett kommst, und halt dich raus. Sie wird am nächsten Morgen nicht da sein. Da du keinen Grund hast, etwas zu wissen, hast du keine Ursache, etwas zu sagen.« Zum Zeichen, daß Derrick entlassen war, erhob er sich vom Schreibtisch. Es war der des Kasinoleiters. »Sei um zehn Uhr hier vor dem Kücheneingang. Du kannst mit deinem Motorrad vorausfahren; mein Mann wird im Wagen folgen. Aber«, warnte er, »immer schön langsam! Ich will nicht, daß einer von euch wegen zu schnellem Fahren einen Strafzettel bekommt.«
    Dummkopf, dachte Thatcher, als Derrick gegangen war.
    Wenn sich am Morgen herausstellte, daß die Frau verschwunden war, würde man nach einer Weile – während die Polizei überlegte, ob sie freiwillig mitgekommen war oder nicht – die ganze Familie verdächtigen, besonders Derrick. Er würde es Morden überlassen, die Leiche wegzuschaffen, so daß sie nicht so leicht – wenn überhaupt – gefunden würde. Auf diese Weise würde sich die gerichtliche Untersuchung hinauszögern. Inzwischen – sein Mund verzog sich zu einem Grinsen – wünschte er Miss Seeton eine gute Nacht und hoffte, daß kein Geist sie störte, bis ihr eigener sich mit ihm messen konnte.
    Gerade als Miss Seeton zu Bett gehen wollte – wo sie zu ihrer Freude die Rundung einer Wärmeflasche bemerkte –, klopfte es, und Deirdre trat ein. Sie wollte sich entschuldigen und erklären, warum sie ihren Gast überlistet hatte, noch bis zum Kempton-Park-Rennen am Montag zu bleiben.
    »Aber ich verstehe nichts von Pferderennen«, wandte Miss Seeton ein.
    »Kein Grund zur Beunruhigung! Ich werde mich um Sie kümmern. Die Hauptsache ist, daß Derrick da sein wird – er verpaßt nie ein Rennen. Und Sie sollen die ganze Familie kennen. Ich verspreche Ihnen, daß ich Sie abends nach Hause bringe, wenn Sie nicht bis Dienstag bleiben wollen.«
    Miss Seeton fiel ein weiterer Einwand ein: »Aber Sie arbeiten in London. Müssen Sie nicht zurück?«
    »In die Boutique?« Deirdre lachte. »Sie brauchen mich eigentlich nur zum Fotografieren. Wenn Kundinnen mich fragen, ob ihnen etwas, woran sie ihr Herz gehängt haben, wirklich steht, bin ich zu sehr geneigt, ihnen die Wahrheit zu sagen. Aber die Tochter eines Lords beim Pferderennen, das ist ein Fressen für die Presse.«
    Miss Seeton zog sich hinter eine weitere Verteidigungslinie zurück. »Ich habe aber gesagt, ich wäre Sonntag zurück. Martha wird mich erwarten.«
    »Sie können anrufen.«
    »Sie hat kein Telefon.«
    »Nun, es gibt bestimmt jemanden, der sie benachrichtigt.«
    Lady Colveden? Nein, entschied Miss Seeton, am besten Miss Treeves. Sie wohnte so viel näher; für sie wäre es nicht schwierig, Martha zu informieren. So ertappte sich Miss Seeton dabei, daß sie einwilligte – obwohl sie gar nicht wußte, warum –, bis Montag nachmittag zu bleiben. Nachdem Deirdre ihre Einwände besiegt und alle Verteidigungsanlagen zerstört hatte, umarmte sie Miss Seeton und wünschte ihr herzlich gute Nacht.
    Thatchers und Deirdres Gutenachtwünsche, von denen die zuständigen Kräfte und Mächte ordnungsgemäß Kenntnis nahmen, wurden dem Buchstaben getreu, aber nicht dem Sinne nach befolgt, denn über die frühen Morgenstunden war nichts Besonderes gesagt worden. Kurz nach ein Uhr dreißig, als ein kalter Windzug durch das Zimmer blies, wurde Miss Seetons Schlaf gestört. Ein geübtes Auge konnte die Gegenstände im Zimmer als hellere und dunklere Schatten unterscheiden. Wenn auch die Konturen verschwommen waren, so konnte man doch Stellung und Entfernung der Dinge ausmachen.
    Am Kamin nahm eine weißgraue Masse Gestalt an, schob sich in das Zimmer hinein, erreichte das Fußende des Bettes, schwebte zurück und verschwand. Der kalte Windzug blieb.
    Miss Seeton öffnete die Augen. Du meine Güte! Es war sehr kalt geworden. Sollte man vielleicht das Fenster schließen? Sie verglich die Wärme unter dem Bett mit dem kalten Wind auf ihrem Gesicht. Wind. Natürlich. Seit sie zu Bett gegangen war, muß Wind aufgekommen sein.

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