Miss Seeton riskiert alles
glaube, ich habe sie immer als einen Notgroschen angesehen, den du mir zur Aufbewahrung gegeben hast.«
»Natürlich. Ich sagte, vergiß es, Penny!«
»Aber Mark.« Lady Kenharding hatte eine Eingebung und vollendete ihren zweiten aufeinanderfolgenden Satz an diesem Tag, während Regentropfen auf ihr emporgehobenes Gesicht prasselten. »Wir sind doch jetzt in Not!«
8
Lord Kenharding war nicht der einzige gewesen, der sich für Miss Seetons Wette interessiert hatte. Ein Mann war so nahe wie möglich hinter sie getreten, ohne jedoch sehen zu können, welches Pferd sie bezeichnet hatte. Wichtig war nur eins: Hatte der Polizist herausbekommen, daß Finger die Sache mit dem Favoriten versaut hatte, oder nicht? Warf die alte Schachtel ihr Geld für Garteright hinaus, weil sie dachte, die ursprüngliche Abmachung gelte noch, oder setzte sie auf Fancy ‘s Folly, weil sie wußte, daß er jetzt gewinnen würde? Das würde ihr nichts nützen; sie würde ihren Gewinn nie kassieren. Es war Befehl ergangen, sie umzulegen; sie war dran! Aber erst nach dem Rennen. Genug war genug! Finger umlegen, bevor er singen konnte, war alles, was man an einem Nachmittag erledigen konnte. Der Mann warf sich in die Brust: ein guter Schuß, wie man ihn sich nur aus dem Stegreif wünschen konnte. Und keine Seele hatte etwas gemerkt, ausgenommen die Träger der Bahre und der Polizist. Dies hier jedoch – so lautete der Befehl – sollte wie ein Unfall aussehen. Wie das manchmal so vorkommt. Mitglieder des Publikums wurden in einen Krawall von Teenagern verwickelt. Zu dumm; nichts Persönliches. Obwohl nach allem, was er gehört hatte, der junge Kenharding sein eigenes Hühnchen mit ihr zu rupfen hatte. Auf jeden Fall war das nicht seine Aufgabe. Er sollte sich nur in der Nähe aufhalten und sie für die Jungen kenntlich machen, wenn sie loslegten. Er kam an ihre Seite.
»Soll ich Ihnen einen Tip geben, Ma’am?«
Sie lächelte und schüttelte den Kopf. »Nein danke«, sagte Miss Seeton. »Ich habe ihn schon.«
Da. Da war eine kleine Lücke. Es hatte aufgehört zu regnen. Miss Seeton schloß ihren Regenschirm. Es gelang ihr, sich an der Außenbarriere, wo noch etwas Platz war, dazwischenzuschieben. Es war nicht so nahe am Zielpfosten, wie sie gehofft hatte, aber weiter vorn war überhaupt kein Platz mehr. Deirdre würde sie bestimmt hier finden.
Der Mann, der ihr gefolgt war, lächelte höhnisch. Sie kenntlich machen? Sie hatte sich mit ihrem Regenschirm selbst kenntlich gemacht. Soweit man sehen konnte, der einzige große Regenschirm, mit Ausnahme der Buchmacher. Diese alte Schachtel hatte ein schönes kleines Geschäft, wie man es sich nur wünschen konnte, zerschlagen. Und die Pfeil schleuder gestohlen. Nun, jetzt war sie selbst dran. Sie würden die Waffe zurückbekommen, wenn sie erledigt war. Er hoffte, die Jungen würden Zeit haben, den Gewinn von Fancy ‘s Folly zu kassieren, obwohl es bei einer Quote von elf zu acht – und wahrscheinlich inzwischen noch schlechter – verdammt schwer sein würde, das wieder hereinzuholen, was sie auf Garter Night gesetzt hatten und nun verlieren würden. Kein Wunder, daß die Chefs verrückt spielten.
Thatcher entspannte sich oben auf der Tribüne. Sie hatten sich beeilen müssen, aber das Geld war gesetzt, und sie waren gedeckt, obwohl die Quoten schließlich auf sechs zu vier gesunken waren. Zur Hölle mit dieser Frau! Unter sich sah er die Kenhardings ihre Plätze in der Nähe der ersten Reihe einnehmen. Er war überrascht. Man hätte glauben sollen, daß sie sich nach der Verhandlung heute morgen nicht mehr an die Öffentlichkeit wagten. Sich nur nicht unterkriegen lassen, vermutlich. Er würde sie bald erledigen, als Entgelt dafür, daß sie die Polizei in den Fall hineingezogen hatten. Deirdre erschien, sah bekümmert aus, blickte um sich und beeilte sich dann, zu ihren Eltern zu gehen. Thatchers Lippen kräuselten sich. Sie würden sehr bald Grund genug haben, bekümmert zu sein. Ihm war eine Idee gekommen. Der junge Kenharding würde nach Miss Seetons unglücklichem Verscheiden aus dem Verkehr gezogen werden müssen. Die Kaution, die der Junge durch sein Untertauchen verfallen ließ, würde Seine Lordschaft dort treffen, wo es ihn am meisten traf. Später? Man mußte ihn wahrscheinlich loswerden. Derrick war ein Narr und von sich selbst zu sehr eingenommen, als daß er etwas dazulernte; man mußte ihn jedoch so lange auf Eis legen, wie man durch ihn noch seinen Vater fertigmachen
Weitere Kostenlose Bücher