Miss Seeton riskiert alles
Sie nahm einen dicken Umschlag aus ihrer Handtasche.
Tom streckte seine rechte Hand aus, wollte sich vorbeugen, fuhr zusammen und gab es auf. »Was ist drin?« fragte er.
Deirdre öffnete den Briefumschlag in gespielter Feierlichkeit und schüttete seinen Inhalt auf das Bett.
»Fünfhundert Pfund«, verkündigte sie.
»Wa – was?« stotterte Tom ungläubig.
»Soviel ich verstanden habe, sollte sie für Sie auf ein Pferd setzen – obwohl ich es kaum ein Pferd genannt hätte. Sie tat es. Dies ist der erschwindelte Gewinn. Sie hat anscheinend auch meinen Eltern einen Wink gegeben. Mein Vater wurde völlig verrückt und hat fünfhundert gesetzt. Die Armen. Sie sind Derricks wegen sehr niedergeschlagen. Aber zehntausend Pfund haben ihre Moral ziemlich gehoben. Ich glaube wirklich«, Deirdre sah nachdenklich aus, »Miss Seeton hat auch mir vielleicht einen Wink gegeben. Ich habe nur fünfzig Pence verloren. Übrigens waren meine Eltern auch hier, um Sie zu besuchen. Aber der Drache hat auch sie nicht eingelassen. Sie haben Ihnen Trauben gebracht. Auch den beiden Reportern hat die Schwester den Weg versperrt, was sie ziemliche Mühe gekostet hat. Sie – eh – haben Trauben für Sie dagelassen. Und sie hat auch versucht, mich hinauszuwerfen, bis ich erklärte .« Deirdre errötete noch mehr. Ihre Finger verschlangen sich ineinander. Dann kicherte sie vergnügt. »Leider habe ich auch welche mitgebracht. Wir haben Sie also mit Trauben direkt überschüttet.«
Tom sah zum Nachttisch, auf dem eine mit blauschwarzen und grünen Trauben überladene Schale stand. Er starrte wieder auf das Geld. »Nicht meins«, sagte er, »nur die Hälfte! Wir teilen.« Der Schmerz verstärkte sich. Erfühlte, daß seine Gedanken sich verwirrten. Aber da war noch etwas ... »Parkplatz«, fragte er, »was ist passiert?«
»Die Polizei hat die meisten Jungen zusammengetrieben. Einige wenige sind entkommen, unter ihnen Derrick.« Sie zuckte mit den Achseln, und ihre Hände drückten Zweifel aus. »Ich weiß nicht, ob ich froh oder traurig sein soll.«
»Jetzt ist es genug.« Die Stationsschwester rauschte mit einer nierenförmigen Schale und steifer Amtsmiene heran. »Ich habe Ihnen fünf Minuten mehr gegeben, als ich sagte.« Aus der Brusttasche ihrer Uniform zog sie ein Thermometer, schüttelte es, prüfte es streng und steckte es Tom in den Mund. Dann fühlte sie seinen Puls. Mißbilligend warf sie einen Blick auf das Geld, das auf dem sauberen Bett lag.
»Das ist unmöglich. Ich habe Sie gebeten, den Patienten nicht aufzuregen.«
»Aber es gehört ihm – «, begann Deirdre. Tom versuchte, trotz des Thermometers in seinem Mund, Protest zu erheben, der jedoch durch einen Blick der Schwester unterdrückt wurde.
»Ich kann es nicht ändern. Sie bewahren es am besten für ihn auf.«
Gehorsam sammelte Deirdre die Scheine ein, steckte sie wieder in den Umschlag und schob ihn in ihre Handtasche. Sie stand auf und lächelte Tom an. »Ich gebe es Miss Seeton zurück, und Sie können es selbst mit ihr regeln.« Er nickte.
Die Stationsschwester war eisern. »Jetzt hinaus mit Ihnen.« Mit einer flatternden Bewegung der Finger nahm Deirdre von Tom widerstrebend Abschied. »Vielleicht können Sie ihn morgen besuchen.« Die schroffe Stimme wurde eine Spur weicher. »Wir werden sehen, was der Doktor sagt.« Die Schwester ließ Toms Gelenk los, nahm das Thermometer aus seinem Mund, runzelte die Stirn und schnalzte mit der Zunge. »Sie hätten überhaupt keinen Besuch haben dürfen.« Sie nahm eine Injektionsspritze aus der Schale, hielt sie hoch, während sie leicht auf den Kolben drückte, um die Luft zu entfernen, reinigte Toms Arm und stach schnell und geschickt zu. »Aber Ihre Verlobte war so aufgebracht und drängte so sehr, daß ich dachte…«
Was sie dachte, interessierte Tom nicht. Nur ein Wort schien von großer Bedeutung zu sein und erfüllte ihn ganz. Seine Verlobte? Seine Verlobte… Die Injektion tat ihre Wirkung. Es flimmerte ihm vor den Augen, die Krankenstation sank nach vorn und drehte sich. Das Gesicht der Stationsschwester in Großaufnahme machte zweimal einen Rückwärtssalto. Dann war der Bildschirm leer.
10
Gehorsam blickte Miss Seeton auf den Bildschirm in der Bar, der einige Szenen auf der Tribüne, in der Menge und bei den Pferden des Rennens wiedergab, das sie weniger als drei Stunden zuvor besucht hatte, während der Ansager den stattgefundenen Teenagertumult beschrieb. Es war – wenn man es sich überlegte –
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