Miss Seeton riskiert alles
feststellte, auch sein eigenes, unmittelbares Problem lösen.
Als hätte sie seine Gedanken erraten, bemerkte Mel:
»Ihnen hat der Humber auch nicht gefallen.«
»Nein«, gab er zurück und erinnerte sich an seine unausgesprochene Angst während der ganzen Fahrt. »Mir hat der Humber auch nicht gefallen.«
Mel zog eine Augenbraue hoch. »Sitzen wir deshalb in diesem Wirtshaus fest?«
»Deshalb sitzen wir in diesem Wirtshaus fest. Möglich, daß ich mich irre, aber ich glaube es nicht«, meinte er. »Es kann sein, daß sie zweimal versuchten, uns von der Straße abzudrängen, und wir einfach wegen dem Verkehr und der kurvigen Straße Glück hatten. Aber«, er dachte an die Strecke, die vor ihnen lag, »hier müssen wir links einbiegen und ein Stück über die Dover-Autobahn fahren. Sie ist breit, gerade, hat nicht viel Verkehr.« Er lachte kurz auf. »Für sie wäre es ein gefundenes Fressen. Gegen einen Humber hätte meine alte Kiste nicht einmal Zeit, Piep zu sagen.«
»Wir bleiben also an Ort und Stelle, bis wir glauben, daß die Luft rein ist?« fragte Mel.
»Kaum«, antwortete Thrudd trocken. »Der Humber steht noch auf dem Parkplatz. Ich zerbreche mir den Kopf, wie ich der Ortspolizei beibringen kann, daß wir verfolgt werden, ohne hysterisch zu klingen.« Unter dem Tisch steckte er das Pfeilgeschoß in seine Tasche.
»Wen kennen Sie bei der hiesigen Polizei«, fragte er Miss Seeton, die erfolglos versucht hatte, die Unterhaltung zu begreifen.
Sie überlegte. »Ja, da ist natürlich Mr. Potter, der im Dorf wohnt, aber ich befürchte, er ist nicht immer da, seitdem er einen Wagen hat und >beweglich< geworden ist, wie sie es nennen.« Sie runzelte die Stirn.
»Den einzigen, den ich noch wirklich kenne, ist Chefinspektor Brinton – o nein, ich glaube, er ist jetzt Chefsuperintendent, in Ashford.«
»Paßt genau!« rief Thrudd. »Ich bin sehr für die hohen Tiere.« Er sprang auf, schob den Riemen der Kamera über die Schulter und nahm seine Brille. »Ich bestelle eine weitere Runde für uns, verschwinde auf die Toilette und mache ein paar Aufnahmen von Miss S. kleinem Spielzeug. Ich rufe mein Büro an, daß sie sich auf eine Fortsetzung der Rennbahnereignisse gefaßt machen. Dann setze ich mich mit diesem Brinton in Verbindung, informiere ihn und bitte um Schutz.«
»Glauben Sie nicht«, meinte Mel, »daß Miss S. die Brinton persönlich kennt, mit einer schnelleren Reaktion rechnen kann als Sie mit Ihrem unsichtbaren jugendlichen Charme?«
Thrudd sah sie an. »Ich möchte gern, daß die Menschen glücklich sind«, erklärte er freundlich. »Sie und Miss S. sind glücklich, wenn Sie hier sitzen, trinken und die Menschen vorüberhasten sehen. Einer der Burschen aus dem Humber – dritter Hocker von links am Ende der Bar – «, erklärte er, als er Mels unwillkürlich suchenden Blick bemerkte, »ist glücklich, Sie und Miss S. und alle Leute hier zu beobachten. Wenn ich eine weitere Runde bestelle, wird ein natürliches Bedürfnis, das ich spüre, seine Ruhe wohl nicht weiter stören. Mit etwas Glück wird er nicht bemerken, daß ich das Gesetz herbeirufe.« Damit schlenderte er langsam davon.
Das Gesetz in Person des Chefsuperintendenten Brinton nahm mit einem ausgesprochenen Mangel an Begeisterung den Anruf Thrudd Banners entgegen.
»Also, Sie sind in Wrotham. Dafür ist Maidstone zuständig. Rufen Sie dort an. Sie schicken Ihnen vielleicht eine Funkstreife, die ein Auge auf Sie hält. Warum rufen Sie mich an?«
Thrudd begann zu erklären, daß Miss Seeton… Er hörte einen erstickten Ausruf, dann nichts mehr. »Hallo… hallo!« rief Thrudd.
»Halten Sie den Mund!« antwortete Brinton. Miss Seeton, dachte er. Verdammt! Das bedeutete, daß diese Sache nun bei ihm – in seinem Amtsbezirk – ausgetragen wurde. Er unterdrückte ein Stöhnen. Wenn sie hier wieder herumgeisterte, dann würden sie wahrscheinlich eine ganze Wagenflotte und Deckung aus der Luft brauchen. »Warum haben Sie nicht gleich gesagt, daß es sich um Miss Seeton handelt?« fuhr er Thrudd an. »Fangen Sie noch mal von vorne an!«
Thrudd gab ihm eine Übersicht über die Ereignisse des Nachmittags. Die Antwort war ein ungestümer Seufzer. »Hmph! Sie geht zum Rennen, zieht in den Krieg, und jetzt ist alles für die nächste Schlacht bei ihr zu Hause vorbereitet. Das ist mein Feierabend! Was für ein Ding, sagten Sie, hat sie erwischt?« Thrudd erklärte es ihm. »Eine Doping-Spritze? Hat sie sie schon an jemandem ausprobiert?«
Weitere Kostenlose Bücher