Miss Winbolt ist schockiert
besonders hübsch, weshalb ihre Chancen auf eine gute Partie schwinden. Es ist gut möglich, dass sie eine Ehe eingehen würde, weil sie wieder einen eigenen Haushalt führen möchte.“
„Und ich soll sie retten? Das klingt gar nicht verlockend.“
Lady Deardon war enttäuscht. „Du scheinst doch nicht so sehr darauf erpicht zu sein, für die Kinder eine Mutter zu finden, wie ich gedacht habe. Hier ist eine anständige junge Dame mit einem guten Grund zu heiraten, und du zeigst dich schon abweisend, bevor du sie überhaupt gesehen hast! Sicher ist sie keine von diesen geistlosen Debütantinnen, die du so verachtest.“
„Nein, aber ich überlege es mir lieber zweimal, bevor ich mir eine unattraktive und eigensinnige Jungfer von ungewissem Alter aufhalse. Das scheint mir ein Garant für ein unglückliches Leben zu sein.“
„Warum wartest du nicht ab, bis du sie kennengelernt hast? Vielleicht überrascht sie dich ja. Die Winbolts werden am Monatsende beim Ball in Langley House erwartet. Du könntest sie also treffen.“
„Na gut, aber ich verspreche nichts!“
„Das habe ich auch nicht von dir verlangt.“ Verärgert über seine ablehnende Haltung fügte Lady Deardon hinzu: „Es könnte ebenso gut sein, dass Miss Winbolt von dir nicht angetan ist! Es heißt, sie würde sich Männern gegenüber ziemlich reserviert verhalten.“
„Das wird ja immer besser! Eigensinnig, unansehnlich und nun auch noch kaltherzig! Deine arme Miss Winbolt scheint mir die geborene alte Jungfer zu sein.“
„Nicht meine Miss Winbolt, William. Und von arm kann auch nicht die Rede sein. Sie besitzt ein beträchtliches Vermögen!“
„Wirklich? Und dann hat sie all die Jahre keinen Ehemann gefunden? Was für eine Giftnatter muss das sein!“
„William!“
„Es kann doch etwas mit ihr nicht stimmen!“
Lady Deardon gab lachend auf. „Ich sehe schon, wir werden Miss Winbolt besser nicht wieder erwähnen.“
Doch Lady Deardon gab ihre Suche nicht auf. Wenige Tage später verkündete sie William triumphierend, eine andere Kandidatin gefunden zu haben.
„Sie ist noch nicht lange in der Gegend, daher habe ich sie heute zum ersten Mal getroffen. Sie heißt Mrs. Fenton und ist eine sehr charmante, junge und reiche Witwe. Ihr Mann ist vor gut einem Jahr gestorben. Sie ist in der Nähe aufgewachsen und nun wieder hierher zurückgezogen. Du wirst sie mögen. Was hältst du davon, wenn ich sie zu einem Dinner einlade?“
„Mach das, bitte. Das hört sich vielversprechender an als diese Miss Winbolt. Ich würde mich freuen, sie kennenzulernen.“
Die Gelegenheit dazu hatte er schon an einem der nächsten Abende. Mrs. Fenton war Anfang dreißig und erwies sich als genauso schön, selbstsicher und geistreich, wie Lady Deardon angekündigt hatte. William zeigte sich sehr an ihr interessiert, und als er erfuhr, dass sie ebenfalls zum Ball in Langley House erscheinen würde, bat er die Dame, einen Tanz für ihn zu reservieren.
Unterdessen hatte Emily unter den Folgen ihres Gesprächs mit Rosa zu leiden. In Shearings wurden verstärkt Gartenfeste, Abendgesellschaften und Wochenendfestivitäten gegeben, zu denen Philips ehemalige Offizierskollegen und Rosas Londoner Kreise eingeladen wurden. Auch die Teilnahme an der nächsten Ballsaison in der Hauptstadt wurde ins Auge gefasst. Rosa, die mich unbedingt davon abhalten will, allein zu leben, hat offenkundig beschlossen, so schnell wie möglich einen Ehemann für mich zu finden, dachte Emily. Sie bestellte ein paar neue Kleider, ließ alle Aktivitäten geduldig über sich ergehen und hoffte, ihre Familie würde bald einsehen, dass sie ihre eigenen Pläne hatte. Früher oder später würde sie ein komfortables Haus mit einem kleinen Park finden und dort den Rest ihres Lebens mit einer Gesellschafterin zubringen. Bis dahin betrachtete sie das Treiben um sich herum mit ironischer Gelassenheit.
An diesem Abend machten sie sich auf den Weg zum Ball nach Langley House. Aufgeregt redete Rosa in der Kutsche über die vornehmen Gäste, die in Langley erwartet wurden.
„Die Langleys haben einen weiten Bekanntenkreis. Maria Fenton ist wieder in unsere Gegend zurückgekehrt und wird sicher dort sein, jetzt, wo sie keine Trauer mehr trägt. Ich bin gespannt, sie wiederzusehen. Ich habe sie als Kind gekannt, Emily. Sie ist ein paar Jahre älter als ich. Früher war sie reizend, und ich frage mich, ob die Ehe sie verändert hat.“
„Das würde mich nicht überraschen“, bemerkte Philip.
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