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Miss Winbolt ist schockiert

Miss Winbolt ist schockiert

Titel: Miss Winbolt ist schockiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Andrew
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um. Es gab viele große Männer, die alle keinerlei Ähnlichkeit mit Will besaßen. Ihre Fantasie musste ihr einen Streich gespielt haben. Aufatmend folgte sie Rosa an Lady Deardons Tisch.
    Philip war in eine Unterhaltung mit einem grauhaarigen Gentleman vertieft. Große Güte! Rosa muss wirklich verzweifelt sein. Der ist sogar noch älter als der Brigadegeneral! dachte Emily. Dennoch lächelte sie freundlich und knickste, als Lady Deardon den Gentleman mit den Worten vorstellte: „Mein Gatte, Sir Reginald Deardon, Miss Winbolt.“
    Sir Reginald Deardon! Der Ehemann der Lady! Emily musste ein Kichern unterdrücken. Sie wechselten ein paar Worte, dann sagte Lady Deardon: „Mein Patensohn wird gleich wieder hier sein. Er hat sich nur kurz entfernt, um Mrs. Fenton an unseren Tisch zu laden. Da kommen sie schon.“ Emily betrachtete die Ankommenden mit einer Mischung aus Schrecken und Faszination. Sie gaben ein bemerkenswertes Paar ab. Mrs. Fenton hatte blassgoldenes Haar und kobaltblaue Augen. Sie trug ein schwarzes Kleid nach der neuesten Mode, dazu prächtige Diamanten und schritt mit selbstbewusster Anmut durch den Saal. Emily starrte auf den Gentleman an ihrer Seite. Vielleicht irre ich mich doch, und es handelt sich nur um eine außergewöhnliche Ähnlichkeit, hoffte sie vergebens. Es war ein Albtraum. Sie schluckte. Lady Deardons berühmter Gast war groß, schlank, selbstsicher und bewegte sich mit völliger Selbstverständlichkeit in den höchsten gesellschaftlichen Kreisen. Er trug eine elegant geschneiderte Abendgarderobe und eine Brillantnadel im tadellos gebundenen Krawattentuch. Ohne jeden Zweifel handelte es sich um den Mann, der sie vom Baum gerettet hatte.
    Will … William … Sir William Ashenden.
    Sie bekam weiche Knie beim Gedanken an die breite Brust, an die sie ihre Wangen geschmiegt hatte, an seine langen Beine, die sich um ihre gelegt hatten und an die Empfindungen, die seine Küsse bei ihr ausgelöst hatten. Um sich an irgendetwas festzuhalten, umklammerte sie eine Stuhllehne. Gesenkten Hauptes ließ sie das Vorstellen über sich ergehen. Schließlich schaute sie hoch. Er wirkte belustigt, doch seine Miene verriet keine Anzeichen des Wiedererkennens. Sie fasste neuen Mut. Warum sollte er mich wiedererkennen? Wer würde die gut gekleidete, ehrbare Miss Emily Winbolt mit dem unordentlichen Wildfang in Zusammenhang bringen? Das Mädchen mit den nackten Beinen, das seine Küsse so hemmungslos erwidert hatte? Sie galt als ausgesprochen unterkühlt. Diesem Ruf musste sie nun vollkommen gerecht werden.
    Mrs. Fenton hatte Emily nur eines beiläufigen Blicks gewürdigt, sprach jedoch eine Weile mit Rosa. Nachdem sie aufgefordert worden war, Shearings einen Besuch abzustatten, verabschiedete sie sich.
    „Ich hoffe, Sir William, Sie begleiten mich zurück an meinen Tisch“, sagte sie, lächelte ihn an und winkte mit ihrem Fächer.
    „Unter einer Bedingung, Mrs. Fenton“, erwiderte er. „Erst müssen Sie mir diesen Walzer gewähren.“
    „Sie lassen sich keine Gelegenheit entgehen“, antwortete sie und zog einen verführerischen Schmollmund. „Aber Sie haben mich in der Hand.“
    Er lachte und bot ihr seinen Arm, um sie auf die Tanzfläche zu führen.
    Emily hätte ihre Gefühle schwer in Worte fassen können. Einerseits verspürte sie eine große Erleichterung, weil Sir William Ashenden sie offensichtlich nicht wiedererkannt hatte. Andererseits tauchte ein Gefühl auf, das sie zunächst nicht eindeutig zuordnen konnte. Sie beobachtete, wie die beiden durch den Saal tanzten, und ihr wurde klar, dass sie Mrs. Fenton nicht leiden konnte. Diese Frau war sich ihrer Macht zu sicher. Sie war zu charmant und viel zu schön. Sir William blickte ihr mit einer solchen Bewunderung in die Augen … Sie atmete tief durch und riss sich erneut zusammen. Ich sollte dankbar sein, dass Will mich nicht erkannt hat, anstatt eifersüchtig auf Mrs. Fenton zu sein!
    Nach dem Walzer begleitete William seine Tanzpartnerin an ihren Tisch und kehrte zu seiner Patentante zurück. Er hatte Maria Fentons Gesellschaft genossen und freute sich auf künftige Begegnungen. Dennoch war er alles andere als sicher, ob sie diejenige war, die er sich zur Ehefrau wünschte. Während seiner Reisen hatte er viele solcher Frauen kennengelernt. Sie waren anmutig, tadellos erzogen und verstanden es, eine vergnügliche Konversation in Gang zu halten. Doch er suchte bei seiner Brautschau nach einer aufrichtigeren Herzlichkeit. Er wollte eine

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