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Miss Wyoming

Miss Wyoming

Titel: Miss Wyoming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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»Schatz?«, sagte Ryan.
    »Schon gut«, sagte Vanessa. »Es hat mir da ohnehin nicht gefallen.«
    »Ich habe noch nicht mal deinen Arbeitsplatz gesehen.« Vanessa öffnete den Karton, und Ryan schaute hinein. Drinnen lagen ein Mr. Potato Head, ein gerahmter Vier-Bild-Streifen von ihr und Ryan aus dem Passfotoautomaten, eine Karte von der kanadischen Ostküste und mehrere dralle, saftige Kakteen.
    Ivan war am Flughafen. John klopfte ihm auf die Schulter und stellte ihm Ryan und Vanessa vor. Zehn Minuten später waren sie in der Luft.
    »Ich hab sie gefunden«, sagte Vanessa. »Wo?«, fragte John.
    »Sie arbeitet für ein Rüstungsunternehmen. In der Rechtsabteilung. Radarausrüstungen. Ratet, welchen Namen sie benutzt.«
    »Leather Tuscadero.«
    »Haha.« Sie schauten aus dem Fenster auf die gitterförmig angeordneten Lagerhäuser des Industrieviertels hinunter. »Fawn Heatherington.«
    »Ist das billig«, sagte Ryan. »Klingt, als wär's aus The Young and the Restless.«
    »Ivan«, sagte John, »sorg dafür, dass uns am Ziel ein Wagen auf der Landebahn erwartet. Und sorg dafür, dass eine Landkarte drin ist. Wir werden in ein paar Stunden da sein.« Vanessa sagte: »Ich habe noch etwas Merkwürdiges gefunden.«
    »Was?«, fragte John.
    »Wenn ich mir diverse Spitzenwerte ihrer Tippgeschwindigkeit und -frequenz ansehe und sie mit ihren anderen Daten vergleiche - sie hat Ende der Achtziger als Datentypistin beim Trojan-Atomkraftwerk oben am Columbia River gearbeitet -, besonders, was ihre Benutzung der Umschalttaste und der Zahlen eins bis fünf angeht, bringt mich das auf einen Gedanken, der mehr als eine bloße Vermutung ist.« 
    »Und das wäre?«
    »Marilyn ist in den Wechseljahren.«
    John sah Vanessa an und drehte sich dann zu Ivan um. »Ivan, Vanessa arbeitet ab jetzt für uns.« »Gut«, sagte Ivan. »Als was?«
    »Als Leiterin unserer Welt.« Die Tatsache, dass er zu Vanessas Rauswurf beigetragen hatte, ließ ihn sich nun nicht mehr ganz so schäbig fühlen. Er steckte sich eine Zigarette nach der anderen an.
    »Ich dachte, du hättest letztes Jahr aufgehört«, sagte Ivan. »Ich rauche, wenn ich mir Sorgen mache. Das weißt du doch.« Ivan fiel auf, dass John, der so hellwach und zielbewusst in der Maschine saß, sich offenbar durch nichts an das am Boden liegende Häufchen Elend erinnert fühlte, das er vor ein paar Monaten gewesen war.
    Sie landeten in Cheyenne. Ein Flughafenangestellter dirigierte sie zu ihrem Wagen. Ivan bat Vanessa, ihnen den Weg zu weisen. »Am besten, du fängst gleich in deinem neuen Job an.« Sie setzte sich nach vorn, und Ivan beugte sich zu Ryan hinüber und flüsterte ihm zu: »Das Geheimnis des Erfolgs? Delegieren, delegieren, delegieren - natürlich vorausgesetzt, man hat einen kompetenten Mitarbeiter engagiert.« Ryan fühlte sich wie ein Dreizehnjähriger, der einen Rat von einem zigarrenmalmenden Onkel bekommt. Sie fuhren durch die Stadt. Es war ein kalter heißer Tag auf dem Höhepunkt eines rauen Herbstes. Die Luft fühlte sich dünn an, und sie schafften es, auf dem Weg durch die Stadt jede rote Ampel zu erwischen - diese Stadt, die eigentlich eine Präriestadt war, mehr Nebraska als Nebraska, und rein gar nichts mit der traumhaften Berglandschaft gemein hatte, die der Name Wyoming verheißt oder die John von den The-Wild-Land-Dreh- arbeiten tief in den Rockies in Erinnerung geblieben war. »Da drüben«, sagte Vanessa, »das blaue Schild. Calumet Systems - gerade letzte Woche von Honeywell aufgekauft.« Sie sahen sich erneut vor einem niedrigen gläsernen Firmenblock, umgeben von einem Parkplatz voller nichtssagend aussehender Pkws und einem Drahtzaun, der oben von Stacheldraht abgeschlossen wurde. Ein Sicherheits-Checkpoint-Charlie versperrte ihnen den Weg auf das Gelände. Vanessa ließ John den Wagen auf die Amoco-Tankstelle gegenüber fahren. John sagte: »Ivan, hast du das Fernglas mitgebracht, um das ich gebeten hatte?«
    John schaute hindurch, ohne zu wissen, was er zu sehen erwartete - Marilyn beim Kaffeekochen in der Cafeteria? Beim Ablegen eines Briefs? Beim Zurechtzupfen ihres Bubi-Kragens?
    »Darf ich auch mal, John?«
    Er reichte Ryan das Fernglas, und dieser suchte systematisch das Calumet-Gelände ab. John stellte das Radio an und blieb bei einem spanischen Dance-Sender hängen, den Vanessa wieder abschaltete. »Das ist nicht der richtige Zeitpunkt für einen Tschika-Tschocka.« Ryan sagte: »Ich sehe ihren Wagen.« 
    »Quatsch«, sagte John.
    »Nein,

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