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Miss Wyoming

Miss Wyoming

Titel: Miss Wyoming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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ausgeklügelt, dass er einem sagen kann, ob man gerade seine Tage hat oder ob man sich mal wieder die Fingernägel schneiden muss.« John fragte, warum die Polizei nicht bereits einen MSP gemacht hätte. Vanessa: »Das ist alles höchst geheim, John. Die machen das nur, wenn sie glauben, man hätte eventuell etwas mit einem fehlenden Plutoniumbrocken zu tun, oder um einen aufzuspüren, wenn sie glauben, man missbrauche seine Teilnahme am Zeugenschutzprogramm. Das ist keine Standardmethode, schon gar nicht, wenn es um ein Starlet geht, das seit ein paar Tagen vermisst wird. Außerdem braucht das Programm so viel Arbeitsspeicher, dass alle Computer im jeweiligen Büro Alzheimer bekommen, solange es läuft.« John klatschte einen 100-Dollar-Schein auf den Tisch. »Kommt«, sagte er. »Wir gehen in Vanessas Büro.« John und Ryan folgten Vanessa im Wagen. John rief Ivan an, um ihn zu fragen, ob er sie mit seinem Jet fliegen würde, der ganz in der Nähe auf dem Flughafen von Santa Monica untergestellt war. John merkte, dass Ivan am anderen Ende seufzte. »Wohin denn, John-O?«
    »Nach Wyoming wahrscheinlich - aber das weiß ich noch nicht genau. Wir suchen Susan.«
    Ivan zögerte. Immerhin hatte die Susan-Colgate-Obsession John nach der Episode in Flagstaff von den Toten zurückgeholt. »Heute Nachmittag findet das Meeting wegen der Europa-Vermarktung von Mega Force statt. Du hast gesagt, du würdest kommen.« Ivan schwieg einen Moment, dann sagte er: »Okay, John-O.«
    »Toll. Wir sind in einer halben Stunde am Flughafen.« Es war ein hirnloser, sonniger Tag, und die Mittagssonne machte die Welt flach. Die Bäume sahen aus wie Plastik und die Fußgänger wie Schaufensterpuppen. Schattenflecken bildeten tiefe Löcher. Wie verabredet stellte Vanessa ihren Wagen auf dem Firmenparkplatz ab, während John und Ryan gegenüber parkten. »Da drin ist es wie im Hochsicherheitstrakt«, sagte Ryan. »Sie fotografieren dich nicht nur, wenn du da reinfährst. Sie röntgen sogar dein Gebiss.« 
    »Hast du irgendeine Ahnung, was Vanny jetzt macht, Ryan? Man wird sie dafür feuern, dass sie dieses MSP-Ding benutzt.« Ryan sagte: »Du nennst sie Vanny?«
    John wedelte auf eine Klar-tu-ich-das-Art mit der Hand. Dann fragte Ryan ihn: »Uns war schließlich klar, dass sie Gefahr läuft, ihren Job zu verlieren. Tut sie das für mich oder für dich?«
    John lachte kurz auf.
    Ryan fingerte an dem Rückspiegel neben der Beifahrertür herum. »Weißt du, John, den jungen Leuten heute wird erzählt, dass sie vier oder fünf verschiedene Karrieren haben werden. Aber was ihnen nicht gesagt wird, ist, dass sie dabei vier oder fünf verschiedene Personen sein werden. In fünf Jahren werde ich nicht mehr ich sein. Ich werde irgendein neuer Ryan sein. Vermutlich klüger und korrupter, und wahrscheinlich werde ich Schwarz tragen, nur Businessclass fliegen und Worte wie ›Cassoulet ‹ oder ›sublim ‹ benutzen. Sag du's mir. Du weißt, wie das ist. Du hast deine Identität schon ein paar Mal gewechselt. Aber im Moment ... im Moment lieben Vanessa ... Vanny ... und ich uns wirklich, und vielleicht kriegen wir sogar Kinder, und vielleicht eröffnen wir ein Fischrestaurant. Keine Ahnung. Aber ich muss es jetzt tun ..., bald handeln, meine ich, weil die aktuelle Version meiner selbst sich bereits verflüchtigt. Wir verflüchtigen uns alle. Jeder von uns. Ich bin schon einen Schritt weiter. Der Ryan, der diese Worte sagt, ist für mich schon Vergangenheit.»
    Sie saßen da und starrten auf das niedrige Firmengebäude. Die Spannung, mit der sie auf Vanessa warteten, wurde ihnen langsam zu viel. Sie sprachen kein Wort. Sie versuchten es mit dem Radio, aber der Empfang war so schlecht, dass sie es wieder ausstellten. Ein Bus hielt neben ihnen, und John und Ryan betrachteten die Fahrgäste darin, deren Blicke nach vorne und nach innen gerichtet waren. Der Bus fuhr wieder ab, und sie sahen Vanessa aus der Eingangstür des Firmengebäudes stürzen, im Arm einen Pappkarton. Nicht wie gewohnt schreitend, eilte sie mit schnellen Schritten zu ihrem geparkten Wagen. Sie bog auf die Hauptstraße ein und hielt neben John. Dort ließ sie ihr Fenster herunter und sagte: »Los, zum Flughafen.« Ihre Augen waren rot und feucht. »Alles in Ordnung?«
    »Fahrt einfach los. Wir treffen uns da.« Sie raste davon. Als sie bei Vanessa auf dem Parkplatz des Santa Monica Airport ankamen, hatte sie sich wieder gefasst. »Na, was ist, fliegen wir nach Cheyenne?«, fragte sie.

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