Miss Wyoming
saßen in Liegestühlen auf dem Dach des Tourbusses, schlürften Benedictine und versuchten abwechselnd, ein Paar silbrig-orangefarbene Nippelquasten anzulegen, die Chris einer Stripperin in Las Vegas im Suff für 500 Dollar abgekauft hatte.
»Okay, Chef«, sagte Susan, »aber dann werden wir nie erfahren, was in dem Ei drin war.«
»Das ist doch der Sinn der Sache, du böses, böses Mädchen«, erwiderte Chris. »Liegt das kleine Eichen auch richtig auf dem Tee?«
»Chris, deine tuntige Redeweise geht mir total auf den Geist.«
»Wie dem auch sei, ich sag's noch mal: Liegt das kleine Eichen auch richtig auf dem Tee?«
Susan überprüfte das in Folie eingewickelte Schokoladenei, das auf einer Marlboro-Schachtel thronte. »Alles klar.«
»Also gut, Sooz, ab geht's!«
Rudy, der ahnte, dass er gleich ein lohnendes Motiv vor die Linse bekommen würde, baute sich unauffällig mit seiner Kamera hinter Susan auf. Diese trug gerade den Nippelschmuck, und Chris rief: »Moment! Deine Quasten haben sich verhed dert.« Mit den Fingerspitzen der einen Hand hielt er ihre Nippel fest, während er mit der anderen die Fäden kämmte. »So.« »Danke, mein Göttergatte.« »Wir Briten sind doch starke Typen.«
»Die Sonne geht jeden Moment auf«, rief Nash, der Schlagzeuger.
Susan stellte sich in Position. Weit weg, jenseits der riesigen in der Erde klaffenden Wunde, brachen die ersten Sonnenstrahlen durch den felsigen Horizont. Sie brüllte: »Vorspiel!«, und drosch das Kinderüberraschungsei mit solcher Vehemenz in die Luft, dass es in unzählige Teile zerbarst und wie ein Sprühregen in den Canyon rieselte. Der Blitz von Rudys Kamera traf genau mit dem Sonnenaufgang zusammen, der sie plötzlich blendete, so dass sie beides nicht auseinanderhalten konnte. Das Foto war ein Knüller: Ehemaliger Kinderstar als Rock 'n' Roll-Mama neu erblüht. »Hinreißend«, sagte Chris.
»Du Lügner. Du magst mich nur, weil ich dir zu einer Greencard verholfen habe.«
»Und du magst mich nur, weil ich dich auf Tour als Background-Sängerin auftreten lasse.«
»Das ist nicht wahr. Für die zehntausend Dollar, die du jeden Monat auf mein Sparkonto überweist, liebe ich dich sogar.«
»Du liebst mich nur, weil ich so ein männliches Glied habe.« Chris ließ die Hosen runter, wiegte sich in den Hüften und präsentierte seinen Lustschwengel, während die anderen auf dem Dach unisono loskreischten.
So lebte es sich auf Tournee. Susan gab den Ton an auf der Nordamerika-Tour von Chris' Band Steel Mountain, dieser mit einer klar definierten Hackordnung ausgestatteten Familie auf Zeit, die sich in Bussen, die nach den Geistern von hundert vorangegangenen Bands stanken, mit Trinken, Rauchen, diversen Drogen und Videospielen bei Laune hielt. Sie hatte Chris zwei Jahre nachdem der Sender Meet tbe Blooms abgesetzt und ihre Fernsehkarriere sich in eine Staubwölke aufgelöst hatte, geheiratet. Als Larry Mortimer, damals ihr Agent, Manager und Liebhaber in Personalunion, sie telefonisch über die Absetzung informierte, befand sie sich gerade in Guam, um einen japanischen Werbespot für ein zitroniges Sportgetränk namens Pocari Sweat zu drehen (»Hey Leute - Let's Pocari!«). Larry war dabei, das Interesse am Fernsehen zu verlieren. Er nistete sich gerade in der Welt des Rock-Managements ein und hatte Susan mit Chris zusammengebracht. Die Verbindung hatte Vor- und Nachteile. Chris hatte Geld, Susan nicht. Ihre Mutter und ihr Stiefvater hatten Susans Einnahmen aus ihren Jahren beim Fernsehen verprasst, ein Umstand, den sie unter großen Anstrengungen vor den Medien geheim gehalten hatte. Außerdem war Chris schwul, was, hätte sie es erfahren, sicherlich eine Überraschung für seine Headbanger-Fangemeinde gewesen wäre. Aber vor allem war Susan immer noch in den katholischen, scheidungsunwilligen Larry Mortimer verliebt. Während es ihr früher leicht gefallen war, Gründe zu finden, sich in Larrys Nähe aufzuhalten, brauchte Susan nun einen besseren Vorwand - durch die Heirat mit Chris, die ihm zu einer Greencard verhelfen sollte, wurde sie wieder in Larrys engsten Kreis aufgenommen. Der Deal mit Chris schien seinen Zweck zu erfüllen, und eine Zeit lang lief alles gut. Aber wenn Chris nicht auf Tournee war, wohnte er in London. Susan blieb in Kalifornien, und die partnerlosen Wochen und Monate nahmen im Laufe der Jahre überhand. Die meiste Zeit lebte sie allein in Chris' Haus, einer Space-Needle-ähnlichen, auf einer Säule thronenden
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