Miss Wyoming
Dann verrätst du mir, was sie über dich gesagt haben.«
»Okay, einverstanden.«
»Frauen haben gesagt: ›Was ist mit seinen Haaren? Sind die echt? Ist das seine Naturfarbe? ‹ Sie sagten: ›Uh, was für 'n scharfer Astronaut. ‹ Sie sagten: ›Den würde ich nicht von der Bettkante stoßen. ‹ Die Männer haben sich nicht so drastisch ausgedrückt. Sie haben keine Bezeichnungen für mich erfunden. Sobald sie mein Gesicht sahen, wussten sie, dass der Sportteil vorbei war und sie den Fernseher ausschalten konnten.« Er zündete sich eine Zigarette an, dann lehnte er sich zurück und gluckste. »Das Fernsehen. Irx.« Susan schmiegte sich an seinen Rücken. Das Bettzeug fühlte sich an wie kühler Marmor.
Sie sagte: »Gegen Ende wussten sie, dass sie genug Folgen beisammen hatten, um die Serie an andere Sender zu verkaufen, daher haben sie die Zielgruppenforschung eingestellt. Aber am Anfang wurden über mich Sachen gesagt wie ›Ich kann die Pickel unter ihrer Schminke sehen. Könnt ihr ihr nicht einen Spachtel besorgen? Die kann ja überhaupt nicht spielen. Ihre Titten sehen aus wie zerlaufene Spiegeleiern So 'n Zeug.« Ihre Blicke trafen sich, und sie lachten beide. »Ich muss diese Lebensmittelbestellung aufgeben.« Eugene tippte eine Nummer in das Telefon, und die Pieptöne, die dabei erklangen, erinnerten Susan an einen Song, den sie in den Achtzigern gemocht hatte.
Kapitel Achtzehn
Susan war oft in Shoppingcentern aufgetreten, und ihre Nachmittags-Show in der Clackamas County Mall war reine Routine. Sie nahm von der grenzenlos überalterten Menschenmenge in den Einkaufszentren anders als von den Juroren gar keine Notiz, und vor ihr aufzutreten war weder heikel noch stressig, denn die einzigen Störungen bestanden in gelegentlichen Zwischenrufen von Teenagern oder einem einzelnen vor Geilheit sabbernden Rentner. Einmal, in Olympia, Washington, hatte der Sicherheitsdienst des Einkaufszentrums einen alten Lüstling abgeführt, der sich neben dem linken Lautsprecherturm missmutig einen runterholte, wie ein Gorilla im Zoo, der sich in sein steriles Käfigleben ergeben hatte. Susan fand das lustig, aber sie hatte nicht ganz begriffen, was er da eigentlich getan hatte. Sie erzählte sowohl ihrer Mutter als auch dem Sicherheitsdienst, dass sie dachte, er hätte »einen Donut geschüttelt«, was den Wachleuten ein Schnauben und Marilyn ein Kreischen entlockte. Als die Männer kurz das Büro verließen, hatte Susan gesagt: »Mom, bitte zeig ihn nicht an. Nicht wegen so was. Lass es einfach auf sich beruhen.«
»Junge Dame, wer weiß, welchen Schaden dieser Mann dir zugefügt hat.«
»Was für einen Schaden?«
»Es wird noch Jahre dauern, bis du eine Ahnung davon bekommst, meine Süße.«
»Mom - keine Anzeige. Ich bin es satt, dass du andauernd Leute vor Gericht zerrst. Schenk es mir einfach zum Geburtstag, okay?«
Marilyns Miene gefror, aber sie taute sofort wieder auf. »Dann werde ich halt weiter Karnickeln das Fell abziehen, um die Miete zu bezahlen. Irgend jemand auf dieser Welt muss ja arbeiten.«
In der Clackamas Mall sollte Susan wie üblich einen Grease- Medley singen, ihre Standardnummer, die irgendwie zu der auf Teenager zugeschnittenen Anti-Drogen-Kampagne des Einkaufszentrums passte. Susans Freundin Trish war gerade sechzehn geworden und chauffierte Susan von McMinnville zur Mall. Marilyn sollte kurz darauf nachkommen, nach einem Zwischenstopp in Beaverton, wo sie sich mit einer Schneiderin traf, um Susans Herbstgarderobe zu besprechen. Susan und Trish parkten, machten ihren Ansprechpartner ausfindig und zwängten sich dann in die Toilette des Orange Julius, wo Susans Rüschenröckchen unangetastet in seiner Nordstrom-Papiertüte blieb. Die beiden Mädchen nahmen schwarze Bodystockings und schmale rote Lederschlipse aus einer Sporttasche. Sie kämmten sich ihre Haare zu einer Stachelfrisur, schmierten sie mit Gel ein und tuschten sich dick die Wimpern, dann gingen sie in den Backstage-Bereich. Susans Name wurde aufgerufen, und beide erklommen die mit Teppich ausgelegten Sperrholzstufen. Sie bewegten sich vorwärts, als wären sie Roboter, Trish zu ihrem Casio-Keyboard, Susan zur Bühnenmitte. Für das gelangweilte und unkonzentrierte Mail-Publikum hätten sie sich ebenso gut als Walküren oder Ulmen verkleiden können, aber Susan verspürte zum ersten Mal ein Gefühl von Macht.
Trish begann das Intro zu spielen, und in diesem Moment hob Susan eine Reitpeitsche, die sie sich
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