Missbraucht
die Puppe denn auch einen Namen?"
"Ja, sie heißt Barbie."
Es war noch eine relativ neue Puppe und Sandra wusste, dass dieses Spielzeug, dass zurzeit der große Renner war und überall beworben wurde, recht teuer war. Sie tat überrascht.
"Wow, fast so ein hübscher Name wie Nadia“, sagte Sandra und die beiden lachten sich an. Die Polizeiobermeisterin hatte in kürzester Zeit Nadias Vertrauen gewonnen, wusste selbst aber nicht, auf was sie eigentlich richtig hinaus wollte. Der Bezug auf die Puppe in Baumels Wohnung, war in diesem Moment noch zu sehr in ihrem Hinterkopf verschollen.
"Dein Bruder muss dich aber sehr gern haben, wenn er dir so eine hübsche Puppe schenkt"
"Mathae hat auch eine, eine Jungenpuppe", antwortete das kleine Mädchen fast trotzig und Sandra sah sich veranlasst noch mehr Bewunderung vorzuspielen.
"Was? Das ist ja toll."
"Ja, Onkel Frank hat sie ihm geschenkt und Mathae hat eine mir geschenkt."
In diesem Moment klappten die Barrieren in Sandras Gedankengänge herunter.
"Onkel Frank? Meinst du Frank Baumel?", fragte sie das Mädchen.
Einen Moment sah Nadia die Polizistin verdutzt an.
"Onkel Frank", wiederholte Nadia nur und zuckte mit ihren schmalen Schultern.
Jetzt fiel Sandra die Puppe auf Baumels Couch wieder ein, das war Ken, das männliche Pendant zu Nadias Barbie. Sie spürte, wie sich ihr Pulsschlag erhöhte. Sie war nah dran, einen, wenn nicht den entscheidenden Hinweis, auf die Lösung des Falles zu finden. Richard würde stolz auf mich sein, ging es ihr sofort durch den Kopf.
"Wo ist Mathae jetzt?", fragte Sandra und merkte nicht, dass ihr plötzlich aufgeregter Ton das Kind verschreckte.
"Ich weiß nicht", antwortete Nadia eingeschüchtert und schien ihre Puppe fester an sich zu drücken.
" Okay ist gut Nadia. Äh, ich muss jetzt aber wieder weg. Es war schön dich kennengelernt zu haben, mach es gut." Auf einmal hatte Sandra es eilig. Sie legte kurz den Arm um das Mädchen und machte sich auf den Weg.
*
29.06.1994
Wie es der Zufall so will, saß gerade Oberstaatsanwalt Koepp mit seiner rechten Hand, Staatsanwältin Heuss, im Büro von Polizeidirektor Mertes, als dessen Telefon klingelte. Sie wollten die Strategie absprechen, wie mit eventuellen neuen Ermittlungsergebnissen umgegangen werden sollte. Allein diese Tatsache zeigte, welch enorme Bedeutung der Fall entwickelt hatte. Er wurde zum großen Kino. Nicht nur, weil es sich um eine sehr populäre Person der Region handelte, sondern auch hinsichtlich der Karrieren einiger honoriger Menschen, oder solchen, die sich zumindest dafür hielten. Jeder wollte über das Neuste informiert sein, um früh genug reagieren zu können. Selbst die junge Staatsanwältin sah sich schon unverhofft die Karriereleiter hochsteigen, wenn ihr Vorgesetzter ins Ministerium wechseln würde. Junge Frauen träumen gerne.
"Ja, Mertes", meldete sich der ranghöchste Polizist von Koblenz.
"Mees", schnodderte Richard am anderen Ende der Leitung in den Hörer, um dann mit fast überschäumender Stimme den Polizeidirektor zu informieren.
"Ich hab ihn Paul!"
Polizeidirektor Mertes war es mehr als unangenehm, dass Richard ihn mit Vornamen anredete, obwohl er nicht genau wusste, ob der Oberstaatsanwalt diesen Umstand mitbekommen hatte. Darum wollte er weiteren Unannehmlichkeiten vorbeugen und sagte zu Richard:
" Gut, dass Sie sich melden, Mees, der Oberstaatsanwalt sitzt nämlich auch gerade in meinem Büro. Was gibt es also so Wichtiges?"
Richard erkannte den Wink von Direktor Mertes sofort und in Sekundenbruchteilen entschloss er sich, seine gefühlte Euphorie gegen eine etwas pragmatischere Ausdrucksweise hinten anzustellen.
"Herr Polizeidirektor, die Kollegen hier in Offenburg, haben mir sehr viel weiter geholfen. Es sieht fast so aus, als ob wir der Lösung des Falles ein gutes Stück nähergekommen sind."
Oberkommissar Heyne, der den Ausführungen genaustens und mit Stolz zuhörte, während er selbst telefonierte, war etwas überrascht über Richards Wortwahl. Für ihn stand fest, dass der Fall bereits so gut wie gelöst war und dass sie viel weiter waren, als nur der Lösung nähergekommen zu sein. Für Heyne tat es keinen Abbruc h. Er erklärte "seinem" Staatsanwalt in blumigen Worten, dass die aus den Spezialisten der Kripo Offenburg und der Polizeidirektion Achern zusammengesetzte Sonderkommission, den Fall so gut wie sicher, aufgeklärt hatte. Es seien, so der Stand jetzt, nur noch ein paar Kleinigkeiten mit den Kollegen aus
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