Missbraucht
stammte aus den Zeiten, in denen sich das Gebäude noch in Kircheneigentum befand. Aus diesem Grund war alles top gepflegt, geordnet und fein säuberlich an den Wänden und in Schränken und Regalen sortiert.
Es war seit einiger Zeit Uwes Reich. Werner Biehl, der Hausmeister des Jugendheims, der schon zu Zeiten des Bischhöflichen Konvikts diese Stelle innehatte und dann vom Kreis übernommen wurde, war seit über sieben Monaten krankgeschrieben. Ein Blasenkrebs hatte ihn zu einer unverzüglichen Operation gezwungen und es war abzusehen, dass er seine Arbeit nicht mehr aufnehmen würde. Deshalb war es sowohl für das Wohnheim als auch für Uwe Stromberg ein Glücksfall gewesen, dass Frank Baumel, Uwe die Stelle als Hausmeistergehilfe "zugeschanzt" hatte. Normalerweise war im Etat des Kreises kein Geld für eine weitere Arbeitskraft vorgesehen, aber als sich Baumel einschaltete, der immer sehr großzügig dem Heim gegenüber war, wurde diese neue Planstelle quasi über Nacht geschaffen. Außerdem war er sehr spendabel gegenüber der richtigen Partei, was sich schließlich auch einmal auszahlen sollte. Zudem wurde der Arbeitsplatz zum größten Teil vom Arbeitsamt finanziert. Frank Baumel kannte alle Möglichkeiten und scheute sich nicht, sie im Rahmen des Gesetzes auszuschöpfen.
Jetzt machte es sich bezahlt. Werner Biehl hatte Stromberg während ihrer gemeinsamen Zeit sehr gut eingearbeitet. Für die alltäglichen Arbeiten hatte Uwe ein gutes Auge entwickelt und wenn es irgendwo sonst im Haus etwas zu reparieren oder instand zu halten gab, wurde er vom übrigen Personal informiert. Nur das notwendige "bisschen vorausplanen" war nicht sein Fall. In Sachen Arbeitsablauf, Materialbeschaffung und Vorhaltung hatte er bisweilen erhebliche Mängel. Trotzdem waren alle Parteien zufrieden mit Uwe und er mit sich selbst am meisten. Gern ließ er spüren, dass er seiner Meinung nach Herr über Haus und Hof war. Im Hausmeisterkeller würden sie ungestört sein.
*
29.06.1994
Nicoletta verfluchte sich selbst in dieser Situation. Wie gut hätte sie jetzt ihre Pistole samt Schalldämpfer gebrauchen können. Aber niemand hatte ahnen können, wie schnell sich ihre Situation verändert hatte. Sie war selbst schuld. Was habe ich für Anfängerfehler gemacht, zermarterte sie sich auf dem Weg zur Küche den Kopf. Wir hätten länger da bleiben und beobachten sollen. Sie konnte es nicht fassen.
Gezielt suchte sie den Weg. Nicoletta wusste, was sie brauchen würde. Sie zog eine Schublade auf und nahm eines der spitz zulaufenden Tranchiermesser heraus. Es war fast rasiermesserscharf und würde ihren Anforderungen gerecht. Sie packte es in eines der Spültücher und steckte es sich, von niemandem beobachtet entlang des rechten Oberschenkels in die Hose. Gerade als sie die Küche wieder verlassen wollte, kam Karin Stromberg mit einem leeren Servierwagen aus dem Speiseraum zur Küche herein gefahren.
"Hallo Schätzchen, was ist los?“, fragte sie.
" Äh ... ich hab bisschen Schmerzen, Unterleib ... du weißt schon", antwortete Nicoletta.
"Wie, ich dachte, vor zwei Wochen hättest du deinen Kram gehabt."
"Ja, es sind auch nicht meine Tage. Es ist einfach ... mir ist eben nicht gut und Dr. Heb hat gesagt, ich soll heute früher Schluss machen."
"Manno, wir können bei dieser Hitze hier schaffen und du machst es dir gleich mit Uwe bequem, nicht wahr?", scherzte Karin Stromberg.
Wenn sie gewusst hätte, dass diese Frau vorhatte, ihrem Sohn in den nächsten zwei Stunden die Kehle durchzuschneiden wäre ihr das Blut in den Adern gefroren.
"Du wieder!", lachte Nicoletta, schloss die Küchentür hinter sich und war froh, das Messer aus ihrer Hose ziehen zu können. Sie steckte es in ihre Handtasche und selbst der Gedanke daran, damit in Kürze ihren Geliebten zu töten, machte ihr nicht im geringsten zu schaffen .
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29.06.1994
Sein Blick wanderte über den Rasen. Sieht klasse aus, dachte Uwe und war stolz auf sich. Gestern hatte er gemäht und jetzt lag das Grün wie ein Teppich rückseitig um das Gebäude. Er stellte die Schubkarre vor dem offenen Tor ab. Auskippen und den Abfall entsorgen konnte er später. Erst einmal sehen, ob Herr Heb schon da ist. Uwe genehmigte sich einen Schluck Wasser. In einem kleinen Kühlschrank hatte er Getränke und ein paar Lebensmittel vorrätig, mit denen er sich immer mal wieder einen kleinen Imbiss zwischendurch anrichten konnte. Ein so stattlicher Kerl musste bei Kräften gehalten werden. Den
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