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Missbraucht

Missbraucht

Titel: Missbraucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Berk
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ärgerlich war, wenn sie zusammen telefonierten, wo sie sich doch im gleichen Gebäude befanden. Auf der anderen Seite waren beide froh darüber, dass sie dadurch ein persönliches Gespräch elegant vermeiden konnten.
    "Was gibt es?", fragte Martina Heb und hörte sich nicht gerade an, als wolle sie ihrem Ehemann ihre Freude über dessen Anruf beweisen. Heb registrierte es mit Gleichgültigkeit.
    "Hör mal Martina, ich schicke gleich Mathae zu dir hoch. Bei mir auf dem Schreibtisch müssten die Akten von ihm und seiner Schwester liegen, die gibst du ihm mit, ja?", er erwartete keine Antwort. "Und wenn er dann schon mal da ist, spendier ihm ein Eis. Du weißt doch, wie sehr er sich freut."
    "Ist gut, werde ich machen. Sonst noch was?"
    "Nein, das ist alles."
    "Okay, bis dann!", sie legte wieder auf und das Gespräch zwischen dem Ehepaar war beendet.
    Martina Heb hatte ein gutes Verhältnis zu Mathae und seiner Schwester. Es gründete darauf, dass die beiden Kinder in ihrer Anfangszeit in Montabaur, des Öfteren einen Teil ihrer Freizeit mit dem Ehepaar Heb verbracht hatten. Der Pädagoge Heb bemühte sich sehr, die ihm anvertrauten Kinder in ihre neue Umgebung zu integrieren, gerade weil beide so viele Defizite hinsichtlich jedweder sozialer Kontakte aufwiesen. Er hatte nie Kinder erlebt, die so verschlossen und verängstigt, ja sogar demütig gegenüber anderen Menschen waren, wie seine beiden Schützlinge aus dem rumänischen Waisenhaus. In dem Heim, in Rumänien mussten menschenverachtende Zustände geherrscht, wie aus den Unterlagen hervorging, die nun in zwei immer umfangreicher werdenden Ordnern, abgeheftet waren. Friedhelm Heb dokumentierte jeden kleinsten Fortschritt in der Persönlichkeitsentwicklung. Er freute sich aufrichtig über jedes Anzeichen, das von mehr Anteilnahme und Offenheit der beiden Kinder Aufschluss gab. Er notierte alles und heftete es penibel ab. Das ging oft über seine eigentliche Arbeitszeit hinaus. Gerade bei Nadia und Mathae sah er sich noch mehr in der Verantwortung als Pädagoge und deshalb hatte er zu Anfang einen engen Kontakt zu den beiden aufgebaut. Oftmals war bei diesen Aktivitäten seine Frau dabei und versuchte die einfühlsame und verständnisvolle Freundin zu spielen, obwohl ihr es vergönnt war, ehrliche Wärme zu vermitteln. Die Höflichkeit und die fast fatalistische Reaktion der Kinder auf ihre Bemühungen wertete sie fälschlicherweise als Zeichen der Zuneigung. Das schmeichelte ihr sehr und deshalb entwickelte Frau Heb eine besondere Beziehung zu den beiden, ohne ihnen aber aufrichtige Wärme vermitteln zu können. Dabei war es genau das, was diesen beiden bemitleidenswerten Geschöpfen am meisten fehlte.
    Seine Zuneigung, seine Aufopferung und seine Hingabe für die beiden Kinder, hätten ihn stolz machen können, stolz auf sich und stolz auf seine Arbeit. Aber da gab es diese eine Angelegenheit, die wie ein Makel ewig auf ihm lastete und den er glaubte, nie abschütteln zu können. Der Makel hatte einen Namen: Frank Baumel!
    Aber jetzt, in dieser aus seiner Sicht fast ausweglosen Situation bot sich ihm eine Chance, diesem Damoklesschwert zu entkommen. Die musste er nutzen, koste es was es wolle und wenn er dafür Mathae opfern musste.
    Dr. Heb wusste genau, dass seine Frau Mathae nicht so ohne Weiteres wieder gehen lassen würde. Das Zusammensein mit dem Jungen wird ihrem Selbstwertgefühl gut tun und deshalb wird sie es so lange wie möglich genießen, überlegte er. Diese dumme, eingebildete Schnepfe . Mathae würde ihr erzählen müssen und dabei von ihr mit Eis vollgestopft werden. Das wollte er ausnutzen.

    *

29.06.1994
    Sie erwischte ihn gerade noch, bevor er sich anschickte seinen Arbeitsplatz vor dem Eingang des Jugendheimes zu verlassen, es war kurz nach halb drei. Uwe Stromberg hatte seine Arbeit beendet. Die beschädigten Platten waren ausgetauscht, der Bauschutt sauber zusammengekehrt und in die Schubkarre entsorgt. Uwe war dabei die Fugen der Platten mit Sand zu verfüllen, als er sie bemerkte. War es die Hitze oder war es ihr Anblick, der seine Gedanken sofort in eine bestimmte Richtung trieben. Sie hat aber auch klasse Möpse, dachte er sich, als er sie vor der Eingangstür stehen sah. Nicoletta schaute sich kurz um und es kam Uwe so vor, als ob sie ihm mit Absicht ihre Brüste wie auf einem Silbertablett servieren wollte, so weit streckte sie sich ihm entgegen. In seinem Kopf begann, ein Film zu laufen.
    "Der Doktor will uns sehen", sagte Nicoletta

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