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Missbraucht

Missbraucht

Titel: Missbraucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Berk
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Stil und Grazie, na ja, von der Grazie schien sie zu viel abbekommen zu haben, denn ihr Bewegungsablauf, ihre Gestik und Mimik wirkten schon sehr gekünstelt. Sich Frau Heb in Jogginghose und Shirt vorzustellen, verbot sich von selbst. Trotzdem war sie eine perfekte Hausfrau. Sie war erst am Nachmittag aus Frankfurt zurückgekommen, wo sie sich zusammen mit einer Freundin einen fünftägigen Wellness Aufenthalt in einem noblen Stadthotel gegönnt hatte. Friedhelm Heb war jedes Mal froh, wenn seine Frau unterwegs war. Hauptsache weg, denn ihre Ehe bestand eigentlich nur noch auf dem Papier. Es war nicht so, dass sie ständig Streit hatten, aber der Doktor hatte das Gefühl, das sie nur noch nebeneinander her lebten. Das Interesse füreinander war gänzlich erloschen. Der vierteljährliche Sex war nur mehr eine Pflichtübung. Ihre Familie hatte Geld, von dem sie einen Großteil in die Ehe mit eingebracht hatte, trotzdem erledigte sie alle Hausarbeiten dermaßen gründlich, dass Friedhelm Heb sich manches Mal gewünscht hätte, dass weniger mehr gewesen wäre. Die Füße mal auf den Tisch legen? Es wäre einem Suizidversuch gleichgekommen. Auf die Etikette konnte Martina Heb nicht verzichten.
    Und eine Köchin war sie, sensationell! Frank Baumel hatte oft bei ihnen gegessen, Martina Heb pflegte ein sehr gutes Verhältnis zu ihm.
    "Sag mal, gibt´s eigentlich was Neues von Frank?"
    Friedhelm hob die Augenbrauen und schaute sie über die Brille her an. "Wie kommst du jetzt gerade darauf?", beantwortete er ihre Frage mit einer Gegenfrage. Dem Doktor ging die ganze Sache nicht mehr aus dem Kopf, er konnte kaum mehr an etwas anderes denken. Überall vermutete er Gefahr, sogar von seiner Frau. Am meisten jedoch beschäftigte ihn der Junge. Mathae war zur größten Bedrohung geworden.
    "Na, die erzählen, dass jetzt die Kripo in Koblenz den Fall übernimmt. Ist das denn ein Fall jetzt?"
    "Das ist ganz normal, sie müssen was tun. Sie waren übrigens heute auch im Heim."
    "Was, bei dir?" Frau Heb tat entsetzt. "Warum hast du mir nichts davon gesagt?"
    "Ich hielt es nicht für wichtig, es ist reine Routine. Sie fragen alle. Frank war oft hier, du weißt, wie sehr ihm die Kinder am Herzen gelegen haben und was er alles für sie getan hat", antwortete der Doktor.
    "Nicht für wichtig! Das hättest du mir ja ruhig mal sagen können", Sie schaute ihren Mann vorwurfsvoll an. Oh Gott, wie Friedhelm Heb diesen Blick hasste. Wenn er es sich genau überlegte, hasste er nicht nur den Blick, er hasste die Frau. Ihre bloße Anwesenheit war ihm zuwider. Eigentlich hasste er alles, sein ganzes beschissenes Leben. Er wollte einfach nur in Ruhe gelassen werden und hatte wahrlich genug damit zu tun, zu überlegen, wie der Sache ein Ende gemacht werden konnte. Friedhelm Heb hätte am liebsten losgeheult, aber er musste Stärke zeigen und einen kühlen Kopf behalten, wenn er irgendwie ungeschoren aus der Geschichte herauskommen wollte.
    Wenn Sie wüsste, dass Frank Baumel am Donnerstagabend unter ihrem Dach erschlagen worden war, ging es ihm durch den Kopf. Heb musste aufpassen, was er sagte.
    " Ich geh noch mal durch das Haus." Der Doktor konnte die Anwesenheit seiner Frau jetzt nicht ertragen, sie lenkte ihn vom wesentlichen ab.
    "Frau Auer ist doch da Friedhelm, was willst du denn jetzt noch?"
    "Ihr war heute den ganzen Tag nicht gut, ich schau nur mal, ob alles in Ordnung ist und wie sie sich fühlt."
    Nach Ablauf des Tagesprogramms kümmerte sich meist nur einer der Pädagogen um die Kinder, was bei der Größe des Hauses, für Außenstehende an sich unvorstellbar und unverantwortlich schien. Gut, Herr Heb war eigentlich immer im Haus und dadurch jederzeit erreichbar, aber von seiner Wohnung im Altbau, bis zum weitest gelegenen Zimmer im Neubau waren es grob geschätzt bestimmt zweihundert Meter.
    Dass er Nachdenken und noch einmal bei Mathae vorbei schauen wollte, erzählte er ihr nicht.
    Frau Auer saß an einer der Tischgruppen in der Halle und unterhielt sich mit zwei Mädchen, die links und rechts neben ihr saßen. Ab und zu sah man eines der Kinder durch die Halle laufen, um einen Freund oder Freundin auf einem anderen Gang zu besuchen oder einfach aus Langeweile. Für jedes hatte Frau Auer ein gutes Wort und ein warmes Lächeln übrig. Das machte sie zur beliebtesten Erzieherin unter den Heimbewohnern. Die Jüngsten hatten um 20:00 Uhr Bettruhe, die Ältesten um 22:30 Uhr. So war es gestaffelt nach Gängen und Altersstufen.
    Dr.

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