Missgeburt
Kläger ist …«, sagte Vanessa. »Du hast doch selbst gesehen, wie hysterisch diese jungen Dinger in der ersten Reihe gekreischt haben. Sie sind ihm völlig verfallen, und solange der Prediger die Gewerkschaftsfunktionäre nur ordentlich schmiert, werden die Cops deswegen auch keinen Aufstand machen.«
»Auf Dauer wird er diese Mädchen allerdings schwerlich alle bei Laune halten können. Irgendwann kommt zwangsläufig Eifersucht ins Spiel. Und dann kriegt er garantiert jede Menge Ärger.«
»Schon möglich, aber vorerst braucht uns das noch nicht zu interessieren. Befassen wir uns lieber mit der Frage, derentwegen du ursprünglich hergekommen bist. Hast du irgendetwas über deinen Bohnensack herausgefunden?«
»Es hat sich keine Gelegenheit ergeben, den Prediger danach zu fragen. Es schien mir zu riskant, ihn direkt darauf anzusprechen. Ich muss mir etwas anderes einfallen lassen. Vielleicht sollte ich es ja, wie du vorgeschlagen hast, über den Glatzkopf versuchen. «
Zwei Stunden später, nachdem das Geld gezählt und Dominique aufgebrochen war, um es zum Nachttresor der Bank zu bringen, saß Dusty Schwartz in seiner Garderobe und legte eine Platte auf. Aus den Lautsprechern erklang die Stimme der berühmten spanischen Sopranistin Victoria de los Ángeles. Als sie »La Paloma« zu singen begann, warf sich der Zwerg auf sein zerwühltes Bett, vergrub das Gesicht in den Kissen und schluchzte haltlos.
7 GUTER RAT IST TEUER
D etective Lieutenant Bruno Bernardi saß mit einem Glas Rotwein am Stammtisch und beobachtete, wie die Frau mit dem bläulich grauen Haar die Gäste begrüßte, die ins Camelot kamen. Sie hatte ein Glas Bier vor sich stehen und steckte sich eine neue Zigarette an, nachdem sie die letzte in einem von Kippen überquellenden Aschenbecher auf dem Nachbartisch ausgedrückt hatte. Excalibur, die Airedale-Promenadenmischung, lag reglos zu ihren Füßen, beobachtete aber aufmerksam, was ringsum vor sich ging. Bernardi vermutete, dass die Frau und ihr Hund jeden kannten, der in die Bar kam.
Es war schon nach sechs Uhr. Der Park auf der anderen Straßenseite war fast leer, und die Glasfassaden der Hochhäuser in Downtown warfen die untergehende Sonne zurück. Unter der Bay Bridge herrschte reger Schiffsverkehr.
Als Samuel endlich zur Tür hereinkam, sprang der Hund auf und wackelte aufgeregt mit seinem schwanzlosen Hinterteil. Der Reporter schlug Bernardi zur Begrüßung auf den Rücken.
»Entschuldigen Sie bitte die Verspätung, Lieutenant.« Dann griff er ihn am Ärmel seiner braunen Anzugjacke und zog ihn in Richtung der Wirtin. »Melba, darf ich dir Detective Lieutenant Bruno Bernardi vorstellen, den neuen Ermittler im Morddezernat, von dem ich dir erzählt habe. Und das ist meine Freundin Melba, Inhaberin und gute Seele des Camelot, die ihr wachsames Auge überall hat und die Stadt wie ihre Westentasche kennt.«
»Danke für die Blumen«, sagte Melba lachend. »Ich dachte mir schon, dass Sie der Lieutenant sind, von dem Samuel mir erzählt hat. Der Cop, den ich nicht schon hundert Meter gegen den Wind rieche, muss erst noch geboren werden.«
»Wenn Sie wirklich wissen wollen, was in San Francisco läuft, müssen Sie nur Melba fragen«, sagte Samuel zu Bernardi.
»Schön, Sie endlich kennenzulernen, Melba. Obwohl, eigentlich habe ich das Gefühl, Sie schon recht gut zu kennen.«
»Seien Sie sich da mal lieber nicht so sicher, Lieutenant. In San Francisco ist so viel Unsinn über mich in Umlauf, dass die meisten Leute nicht wissen, was sie davon glauben sollen. Und so ist es mir, ehrlich gesagt, auch lieber.«
Bernardi grinste. »Ich habe aber nur Gutes über Sie gehört.«
»Erzählen Sie mir doch nichts. Ihr Süßholzraspler seid doch alle gleich. Das haben Sie vermutlich von Samuel gelernt.« Sie lachte wieder und nahm einen Schluck Bier.
»Danke, dass Sie gekommen sind, Bruno«, sagte Samuel. »Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: Ich muss dich um einen Gefallen bitten, Melba. Bruno wollte wissen, vor wem er sich beim SFPD besonders in Acht nehmen muss. Da hielt ich es für das Beste, dich um Rat zu fragen.«
Die Wirtin blickte sich in der sich langsam füllenden Bar um, blies Rauch durch die Nase und drückte ihre Zigarette aus. Dann winkte sie die beiden Männer näher zu sich heran, worauf sie sich links und rechts neben sie setzten. Samuel fasste unter den Tisch und kraulte Excaliburs ohrlose Kopfseite.
»Sie haben die Stelle in San Francisco bekommen, weil Charlie
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