Missgeburt
Mission District eine Kirche hat, aber das ist auch schon alles. Bisher hat er sich im Camelot noch nicht blicken lassen. Aber ihr dürft mich gern auf dem Laufenden halten, wenn ihr bei euren Ermittlungen mehr über ihn herausfindet.«
»Alles klar, machen wir.« Mit diesen Worten griff Samuel nach seinem Glas, stand auf und bedeutete Bernardi, ihm zu folgen. Sie gingen zu einem Tisch neben der Mahagoni-Telefonkabine im hinteren Teil der Bar und setzten sich. Samuel mit seinem Scotch on the rocks, Bernardi mit einem Glas Rotwein.
Samuel erklärte dem Polizisten, wie er einen der Bohnensäcke zur Universalkirche für seelische Entfaltung zurückverfolgt hatte, und schilderte ihm in lebhaften Farben den Auftritt des Zwergs sowie seiner Assistentin, der Geistheilerin Dominique, die Vanessa für eine Hexe hielt. Dann berichtete er ihm von Michael Harmony und seinem Ermittler Art McFadden und schließlich von den sexuellen Vorlieben des Zwergs.
»Diese Sexgeschichte können wir uns zunutze machen, wenn alle anderen Stricke reißen«, sagte Bernardi. »Aber alles in allem haben Sie schon einiges herausgefunden.«
»Das kann man wohl sagen. Aber jetzt zum eigentlichen Problem. «
»Was für ein Problem?« Bernardi blickte erstaunt auf und nahm einen Schluck von seinem billigen Chianti.
»Von welcher Seite gehen wir die Sache am besten an?«
Bernardi dachte kurz nach. »Ich weiß, was Sie meinen. Wir können die Sache von drei Seiten anpacken, und jedes Mal wird der Ausgang ein anderer sein. Dazu kommt noch, dass mir eine Reihe vertraulicher Informationen vorliegen, die die Sache noch komplizierter machen.«
Samuel war plötzlich ganz Ohr und leckte sich die Lippen. »Und die wären?«
»In der Bay wurde ein weiteres Leichenteil gefunden. Es ist ein Stück eines menschlichen Arms, und direkt über dem Ellbogen sind am Oberarmknochen Spuren einer komplizierten Fraktur zu erkennen. Ein ziemlich übler Bruch, der offensichtlich operiert werden musste.«
»Wann war das?« Samuel zog seinen Notizblock aus der Jackentasche.
Bernardi legte seine Hand auf Samuels Block. »Immer mit der Ruhe. Ich habe Ihnen doch gesagt, diese Informationen sind vertraulich. «
»Und wie lange?« Samuels Lider sanken wieder auf halbmast.
»Gute Frage. Einerseits sähen wir es natürlich gern, wenn der Täter versuchen würde, weitere Leichenteile zu entsorgen; deshalb möchten wir durchaus an die Öffentlichkeit sickern lassen, dass wir bereits welche gefunden haben. Andererseits wollen wir ihn aber auch nicht verschrecken, und deshalb müssen wir diese Neuigkeit möglichst dezent in Umlauf bringen.«
Samuel war sich zwar bewusst, dass ihm Bernardi damit massive Einschränkungen auferlegte, nahm die Sache aber dennoch nicht zu tragisch, weil er wusste, dass der Polizist auf seine Hilfe als Journalist angewiesen war, wenn er den Täter fassen wollte. »Okay. Und wie lang wollen Sie mir jetzt einen Maulkorb anlegen? «, fragte Samuel.
»Ich würde vorschlagen, Sie halten die Meldung drei Tage lang zurück. Morgen treffe ich mich mit Coroner McLeod, danach weiß ich sicher mehr.«
»Könnte ich zu dem Treffen mitkommen?«
»Aber nur, wenn Sie schön für sich behalten, was dort besprochen wird.«
»Ich werde nur schreiben, was Sie mich schreiben lassen.«
»Gut. Dann also morgen um zehn in der Rechtsmedizin. Aber jetzt wieder zurück zu unserem Dilemma, von welcher Seite aus wir die Sache angehen sollen.«
Samuel trank seinen Scotch aus und stand auf, um sich einen
neuen zu holen. »Soll ich Ihnen auch noch ein Glas Wein mitbringen, Lieutenant?«
Bernardi zögerte. »Vielleicht noch etwas früh dafür. Aber etwas Entspannung kann nicht schaden.« Der Lieutenant machte bereits einen sehr entspannten Eindruck.
Samuel kam mit den frischen Getränken zurück, setzte sich und rührte mit dem Finger in seinem Glas. »Ehrlich gesagt, habe ich ein bisschen auf den Putz gehauen. Genaugenommen habe ich nämlich noch keine konkreten Beweise, dass der Sack, in den das Leichenteil eingeschlagen war, wirklich aus der Kirche stammt; was das angeht, habe ich mich nur auf meinen Riecher verlassen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass in dieser Kirche einiges läuft, was sich eindeutig mehr als nur am Rande der Legalität bewegt.« Er zählte die einzelnen Punkte an seinen Fingern ab. »Da wäre zum einen der Prediger selbst. Dann diese Geistheilerin. Und schließlich der Ermittler, der für diesen Winkeladvokaten Michael Harmony arbeitet.
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