Missgeburt
anderen?«
»Alle zusammen.« Schwartz seufzte. »Ich hatte nicht die Zeit, um mich einzeln ihrer spirituellen Probleme anzunehmen, deshalb hielt ich es für das Beste, sie mir von allen dreien gemeinsam vortragen zu lassen. Und zum Schluss habe ich sie aufgefordert, nach Hause zu gehen und zu beten und am Sonntag wieder in die Kirche zu kommen.«
Das kann ich mir vorstellen, dachte Samuel. »Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich auch Ihre Assistentin interviewe, um mir noch mehr Hintergrundinformationen für meinen Artikel zu verschaffen?«
»Nicht im Geringsten. Aber sehen Sie erst mal nach, ob sie überhaupt noch hier ist.« Mit diesen Worten erklomm der Zwerg einen Hocker vor seinem Schminktisch. Samuel sprach zu seinem von Glühbirnen umrahmten Spiegelbild.
»Woher haben Sie übrigens das herrliche Gemälde, das Sie während der Predigt entrollt haben? Es scheint sehr alt und wertvoll zu sein.«
»Auch das ist etwas, was Sie Dominique fragen müssen. Sie hat es mir geliehen.«
»Danke, dass Sie sich Zeit für mich genommen haben, Reverend. Ich werde zusehen, dass der Artikel am Samstag erscheint, und selbstverständlich werde ich Ihnen eine Ausgabe der Zeitung zuschicken.«
»Das wäre nett. Wie war gleich noch einmal Ihr Name?«, fragte Schwartz.
»Samuel Hamilton. Hier ist meine Karte, falls Ihnen noch etwas einfallen sollte, was unsere Leser interessieren könnte.«
Der Reporter kehrte in den inzwischen fast leeren Saal zurück, wo Vanessa auf einem Klappstuhl saß und sich mit einem dicken glatzköpfigen Mann in einem karierten Sakko unterhielt. Als Samuel sich ihnen näherte, stand sie auf und sagte: »Das ist
Art McFadden, Mr. Harmonys Ermittler.«
»Samuel Hamilton«, stellte sich der Reporter vor und reichte dem Glatzkopf die Hand.
»Freut mich, Samuel«, erwiderte McFadden leutselig. »Vanessas Freunde sind auch meine Freunde.«
»Sie arbeiten für Mr. Harmony?«
»Unter anderem.«
»Was genau machen Sie für ihn?«
»Hauptsächlich PR.«
»Was muss man sich darunter vorstellen?«
»Na ja, ich kümmere mich darum, dass er neue Mandanten bekommt. Und dann nehme ich mich ihrer an.« McFadden hielt kurz inne. »Eigentlich würde ich mich gern ausführlicher mit Ihnen unterhalten, Samuel, aber ich bin mit dem Reverend verabredet.« Mit diesen Worten entfernte er sich in Richtung Bühne.
»Was macht dieser Kerl nun wirklich?«, fragte Samuel und sah McFadden hinterher, wie er schwerfällig die Stufen des Podiums hinaufstieg.
»Er ist sozusagen Michael Harmonys Akquisiteur«, antwortete Vanessa. »Er sorgt dafür, dass der Anwalt immer genügend Mandanten hat. Sicher geht er nur deshalb in die Garderobe des Predigers, um ihm sein Schmiergeld zuzustecken. An deiner Stelle würde ich mir McFadden warmhalten, denn für die entsprechende Bezahlung kannst du von dem Kerl alles bekommen. Wenn du wissen willst, was hier gespielt wird, solltest du dich an ihn wenden.«
In diesem Moment trat Dominique hinter dem schwarzen Vorhang hervor. Sie war ganz in Schwarz gekleidet und trug Stiefel mit hohen Stilettoabsätzen, mit denen sie fast eins achtzig groß
war. Trotz der entstellenden Narbe auf ihrer linken Gesichtshälfte gab sie eine eindrucksvolle Erscheinung ab.
»Mein Name ist Samuel Hamilton. Ich bin von der Zeitung und habe gerade Reverend Schwartz für einen Artikel, den ich über seine Kirche schreibe, interviewt. Er hat mir erzählt, dass Sie seine Assistentin sind. Dürfte ich auch Ihnen ein paar Fragen stellen?«
»An sich sehr gern, Mr. Hamilton, aber im Moment bin ich doch sehr müde und muss hier noch Verschiedenes erledigen. Die Menschen, die zu uns kommen, haben so viele Probleme und wir leider nur so wenig Zeit. Hier ist meine Karte. Rufen Sie mich doch in den nächsten Tagen mal an, dann können wir uns gern unterhalten.«
»Natürlich. Ich hoffe allerdings, Sie finden schon bald etwas Zeit für mich. Ohne die Auskünfte, die ich mir von Ihnen erhoffe, kann ich meinen Artikel nämlich nicht zu Ende schreiben.«
Es war schon nach zehn Uhr abends, als Samuel und Vanessa die Universalkirche für seelische Entfaltung verließen. Als sie über die nächtlich belebte Mission Street gingen, murmelte Samuel kopfschüttelnd: »Ich kann kaum glauben, wie viel krumme Touren in dieser Kirche laufen. Und dieser saubere Prediger macht noch nicht einmal ein Hehl daraus, dass er in seiner Garderobe Sex mit Minderjährigen hat, obwohl er sich damit eine Menge Ärger einhandeln kann.«
»Wo kein
Weitere Kostenlose Bücher