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Missgeburt

Missgeburt

Titel: Missgeburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William C. Gordon
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Neben einem an der Wand stehenden Klapptisch war ein kleines Gestell mit einem Plattenspieler, unter dem mehrere Langspielplatten aufgereiht waren. Das Einzelbett, das an der gegenüberliegenden Wand stand, sah aus, als sei es erst vor kurzem benutzt worden. Die Decke war zurückgeschlagen, und auf dem Kissen lag eine Stoffpuppe, deren Haare aus schwarzen Wollresten gefertigt waren. Auf dem Nachttisch glaubte Samuel eine Packung Kondome unter einer Zeitung zu erkennen. In einer Ecke waren die von den Abendeinnahmen überquellenden Spendenkörbe gestapelt. Ein eigenartiger Geruch hing in der Luft.

    »Entschuldigen Sie bitte die Unordnung«, sagte Schwartz.
    »Normalerweise warten wir, bis alle weg sind, bevor wir das Geld zählen. Und wer dann als Erster von uns nach Hause geht, nimmt es mit und deponiert es im Nachttresor der Bank.«
    »Wer ist wir?«, fragte Samuel.
    »Dominique, die Geistheilerin, ist meine Assistentin.«
    »Aha. Und was macht sie genau?«
    »Wie gesagt, sie ist meine Assistentin. Sie erledigt die Buchführung. «
    »Hat sie hier ihre eigene Kirche?«
    »Nein, nein. Sie hat allerdings viele Patienten, die bei ihr Rat suchen. Bestimmt haben Sie sie vor ihrem Sprechzimmer warten sehen.«
    »Weswegen suchen die Leute bei ihr Rat?«
    »Sie haben vor allem Fragen zu spirituellen Dingen, Mr. Hamilton. Aber wenn Sie darüber Genaueres wissen wollen, sollten Sie sich am besten an sie selbst wenden.«
    »Gut. Dann kommen wir jetzt zu Ihnen. Ach, was ist das übrigens für ein eigenartiger Geruch?«
    »Er kommt wahrscheinlich von den Räucherstäbchen, die Dominique immer für ihre Reinigungsrituale verwendet«, antwortete der Zwerg ausweichend.
    »Wie sind Sie dazu gekommen, eine eigene Kirche zu gründen – die auch noch solch regen Zulauf erfährt, wie ich hinzufügen möchte?«
    Darauf begann der Prediger, in aller Ausführlichkeit zu schildern, was ihn zu der Gründung einer Kirche veranlasst hatte. Wie nicht anders zu erwarten, strich er dabei vor allem seine eigenen Verdienste hervor, während er Dominiques Beitrag mit keinem Wort erwähnte. Er erzählte dem Reporter, wie sein langgehegter Wunsch, Prediger zu werden, schließlich in Erfüllung gegangen war. »Meine Kleinwüchsigkeit war dabei keineswegs von Nachteil. Sobald ich die Menschen davon überzeugen kann, dass Gott durch jemanden wie mich wirkt, geben sie alle Vorbehalte
auf. Und wenn ihnen bewusst wird, dass sie nicht so missgestaltet sind wie ich, ist es nicht mehr weit zu der Einsicht, dass Gott durch sie mindestens genauso gut wirken kann wie durch mich.«
    »Was erwarten sich Ihre Anhänger von Ihnen?«
    »Das Leben ist ein einziges Jammertal, Mr. Hamilton, und deshalb suchen die Menschen vor allem Trost bei mir. Sie sehnen sich nach jemandem, der sie versteht und ihr Leid mit ihnen teilt.«
    »Und wie machen Sie das?«
    »Ich lasse ihr Leid auf mich einwirken, nehme all ihren Schmerz in mich auf. Und dann schließe ich sie in die Arme und fordere sie auf, in Frieden zu gehen.«
    »Was machen Sie, wenn Sie in einem Menschen dem Bösen begegnen? «
    »Das ist eine gute Frage, die allerdings schwer zu beantworten ist. So etwas kommt häufiger vor, als Sie denken, und dann muss ich eine Möglichkeit finden, das Böse aus diesem Menschen auszutreiben. Meistens lasse ich mir dabei von Dominique assistieren. Denn manchmal ist die Finsternis, in die ich mich dabei begebe, so tief, dass ich mich hinterher in einer Aura aus Licht baden und von Dominique läutern lassen muss.« »Wie muss man sich das vorstellen?«
    »Oh, das ist Dominiques Geheimnis. Das sollten Sie sie selbst fragen.«
    Samuel machte sich rasch ein paar Notizen und überlegte, wie er auf die Bohnensäcke, den eigentlichen Grund seines Besuchs, zu sprechen kommen könnte. Da ihm jedoch kein unverfänglicher Anknüpfungspunkt einfiel, sagte er stattdessen: »Bei Ihrer Predigt sind viele der jungen Mädchen in den vorderen Reihen geradezu in Hysterie verfallen, und hinterher sind drei von ihnen hinter die Bühne gekommen.«
    »Ja, sie haben Rat bei mir gesucht. Ich erklärte ihnen, wie sie meine spirituellen Lehren am besten in die Tat umsetzen können.
Außerdem ermunterte ich sie, mich regelmäßig aufzusuchen, damit ich mir ein besseres Bild von ihren Fortschritten machen kann.«
    »Verstehe«, murmelte Samuel mit einem Seitenblick auf das zerwühlte Bett und die eigenartige Puppe auf dem Kopfkissen.
    »Haben Sie die Mädchen alle zusammen vorgelassen oder eine nach der

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