Missing in Action
Gestalten lagen auf dem Boden, zwei regungslos, während sich eine unablässig bewegte und dabei leise wimmerte.
Etwas abseits entdeckte John Simon Reinhards, der sich ein Stück Stoff auf die Schläfe presste. Die linke Hälfte seines Gesichts war blutverschmiert, aber er wirkte nicht besonders angeschlagen. Im Gegenteil, mit der freien Hand gestikulierte er wild, deutete auf das Shuttle, den Himmel und immer wieder mit einem anklagenden Finger auf Shakey, der mit gesenktem Kopf vor dem Konzerner stand. Allein die Flecken von Erbrochenem auf seinem Anzug, der vermutlich mehr kostete, als John in einem halben Jahr verdienen mochte, zerstörten den Eindruck eines Mannes, der auch in Notsituationen alles unter Kontrolle hatte. Dennoch war er dafür, dass sie sich auf einem fremden, unerforschten Planeten befanden, erstaunlich gefasst. Er schien die fremdartige Umgebung kaum wahrzunehmen, achtete nicht auf die seltsamen Pflanzen, den zu grellen Himmel, nicht einmal auf die kleinen Insektenwesen, die um sie herumschwirrten.
Die Leibwächterin hatte sich hinter Reinhards aufgebaut. Sie wirkte, als habe der Absturz ihr keine größeren Probleme bereitet, selbst ihr Kostüm saß noch
immer perfekt. Aber John bemerkte ihre Blicke, mit denen sie die Umgebung musterte, und er sah, dass sich ihre Hände immer nah bei den Waffen befanden, die sie vermutlich trug. Möglicherweise war es ihr hier zu bunt, um ungefährlich zu sein. Anders als Reinhards war sie sich der Tatsache bewusst, dass sie sich jederzeit in Gefahr befanden.
Ein metallisch glänzendes Insekt, vielleicht halb so groß wie eine von Johns Fäusten, näherte sich surrend und ließ sich auf dem Verwundeten am Boden nieder, fast als wolle es Johns Befürchtungen sogleich bestätigen. Der Verletzte schrie leise auf und schlug nach dem Tier, das gleichmütig davonflog.
»Shakey«, rettete der Leutnant seinen Piloten vor der Tirade aus Anschuldigungen, die auf ihn einprasselte. »Bericht.«
Die Dankbarkeit stand dem kleinen Mann ins Gesicht geschrieben, als er zu John hinüberlief.
»Wir kamen zu heiß rein«, erklärte er mit leiser Stimme. »Ich musste die Kontrolle übernehmen.«
»Er hat uns alle fast umgebracht«, bellte Reinhards, der jetzt zu ihnen trat. »Ein verfluchter Crash, mitten auf einem fremden, unbefriedeten Planeten! Weitab von jeder Hilfe oder Zivilisation. Der Mann ist eine Gefahr für uns alle!«
»Der Autopilot kam nicht klar. Ich musste es tun.«
John nickte. Shakeys Tonfall war flehentlich.
»Das wird ein Nachspiel haben, wenn wir zurückkehren«, ereiferte sich Reinhards weiter. »Ihnen wird zumindest die Lizenz entzogen. Sie werden nicht mal
mehr Modellflieger steuern, Sie Kretin! Wenn ich Sie nicht direkt vor ein Konzerngericht stellen lasse. Fahrlässige Tötung und …«
»Falls wir zurückkehren«, unterbrach ihn John, der den Blick nicht von Shakey ließ.
Der kleine Mann war bei jedem von Reinhards’ Worten zusammengezuckt, als würde man ihn schlagen. »Entschuldigen Sie uns einen Moment, Sir, wir müssen den Einsatz besprechen.«
Jetzt sah er den Konzerntypen doch an. Er bemerkte, dass Reinhards widersprechen wollte, aber dann schwieg er, nickte herablassend und trat zur Seite.
»Du sagst, es war notwendig?«, fragte John leise, als er mit Shakey allein war.
»Ja, Boss. Sonst wären wir direkt beim Eintritt in die Atmosphäre verglüht.« Der Pilot blickte sich nervös um. »Schlimmer als ein Meteoritenstück.«
John wusste, dass Shakeys Zeiten als Kampfpilot lange hinter ihm lagen. Er sah auf die Hände des kleinen Mannes, die unablässig zitterten.
Shakey bemerkte den Blick und verschränkte die Arme vor der eingefallenen Brust, aber dadurch übertrug sich das Zittern nur auf seinen ganzen Körper. Die Einsatzdrogen hatten seine Nervenbahnen in Mitleidenschaft gezogen – zumindest hatte Shakey das Zittern einmal so erklärt, und John hatte keinen Grund, an der Aussage des kleinen Mannes zu zweifeln oder groß nachzuhaken. Man landete nicht bei den Justifiers, wenn man eine saubere Vergangenheit und großartige Karrierechancen hatte, und zumindest in diesem Team
gab es die unausgesprochene Vereinbarung, dass Vergangenes auch vergangen blieb.
»Dann musst du nichts befürchten. Die Aufzeichnungen der Sensoren werden dir Recht geben. Und wir sagen für dich aus. Okay?«
Shakey nickte. Dankbarkeit zeichnete sich in seinen Zügen ab. Fast hätte es ein Lächeln auf seine Lippen geschafft, aber dann schoss er einen
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