Missing in Action
Die Ratte würde wieder zuschlagen, irgendwann, wenn sie sich unbeobachtet fühlte, und dann würden die Justifiers bereitstehen.
Schnell überquerte John den freien Platz und erreichte den Schatten zwischen den beiden Lagern. Sie hatten nur eine schmale Schneise in den Dschungel geschlagen, mit Hilfe der Antigraveinheiten und ordentlich Muskelschmalz. Die Nano-Kettensägen hatten in Bulls erfahrenen Händen gute Arbeit geleistet. Reinhards hatte überlegt, aus dem zähen Holz Hütten zu bauen, aber John hatte ihn sachte wieder von diesem Plan abgebracht. Das Argument war einfach: Sie wollten sich hier gar nicht erst häuslich einrichten, weil all ihre Anstrengungen auf eine Heimkehr fokussiert sein sollten. So hatten sie eine Menge Holz gehabt, um ihr Lager besser zu schützen.
Es war kein besonders ausgeklügeltes System, aber John hatte aus Holz Barrikaden errichten lassen, die jeweils zwei, drei Leuten Deckung boten. Sie waren überlappend angelegt, bildeten so eine vernünftige erste defensive Linie. Nichts, was eine entschlossene Opposition nicht in wenigen Minuten überrannt hätte, vor allem, da ihre Bewaffnung im besten Fall als mangelhaft zu bezeichnen war, aber immer noch deutlich besser als gar keine Verteidigungslinie.
Das Portal stand zur Hälfte unter einer riesigen Plane, die sie zwischen den verbliebenen Bäumen gespannt
hatten. Es sah aus wie ein gewaltiges Spinnennetz, da sie es mit einer Unzahl von Seilen befestigt hatten. Die Plane bot Schatten und schützte das Portal vor Wettereinfluss. Zwar hatte es seit ihrer Ankunft nicht geregnet, aber man wusste ja nie.
Ein Großteil der Techniker arbeitete daran, die Einzelteile zu prüfen und das Portal zusammenzusetzen. Ohne den letzten Container konnten sie es natürlich nicht beenden, aber alle wollten für den Tag bereit sein, an dem sie die fehlenden Teile endlich fanden.
Im Schatten eines großen Baums stand Jamie, die hier Wachdienst schob. John sah ihren Blick auf sich ruhen, aber sie gab kein Anzeichen, dass sie ihn bemerkt hatte. Er nickte ihr kaum merklich zu, und sie erwiderte den Gruß ebenso verborgen.
Aus dem Schatten beobachtete John die Arbeiten. Auch hier sah er keinerlei Zeichen für Verrat, was ihn wenig überraschte. In der Gruppe würde die Ratte natürlich als loyales Konzernmitglied auftreten. John seufzte, die Anspannung wich aus seinem Körper. Er konnte ewig herumstehen und misstrauisch starren; helfen würde es nichts. Eine Weile lang blieb er dennoch und sah zu, wie das Portal langsam Gestalt annahm. Dann machte er kehrt und ging zum Shuttle zurück.
Auf halbem Weg kamen ihm Shakey und Bull entgegen. Als sie ihn sahen, beschleunigten sie ihre Schritte und sorgten so dafür, dass sie ihn abseits aller anderen Menschen erreichten.
»Neuigkeiten?«
»Wie man es nimmt«, erwiderte Bull leise. Er sah sich um, als befürchte er, dass hinter jedem Grashalm ein Verräter verborgen sein könnte. Intrigen lagen dem großen Beta nicht, wie John wieder einmal feststellte. »Rourke hatte eine Idee.«
John verzog erstaunt das Gesicht, und Shakey lachte.
»So hab’ ich auch geschaut. Aber sie ist nicht mal schlecht.«
»Dann spuckt sie aus«, knurrte John.
»Er meint, wir sollten die Sensoren des Shuttles nutzen.«
»Ich dachte, die hätten wir beim Anflug verloren?«
Shakeys Grinsen erstarb, aber er schüttelte den Kopf.
»Nicht alle. Ich habe mir den Schaden mal angeschaut. Bislang erschien mir das unnötig, aber ich glaube, wir können ein bisschen was reparieren.«
»Und was machen wir damit? Das Ding wird doch nie wieder fliegen.«
»Nö, aber Rourke dachte, dass unsere Ratte doch bestimmt irgendwann ihren Bau verlässt und das Rudel sucht«, erwiderte Shakey, nun wieder vergnügt. Ihm schien die ganze Jagd nach dem Verräter Spaß zu machen. »Im Wald sind die Sensoren zu nichts zu gebrauchen. Viel zu ungenau, und der Dschungel ist voller Lebewesen. Aber wenn wir uns auf den Bereich direkt um das Shuttle konzentrieren …« Shakey ließ seinen Satz ausklingen und sah John geradezu herausfordernd an.
»Wir würden mitkriegen, wenn jemand in den Urwald geht?«
»Bingo!«
»Und niemand geht einfach so in diesen verfickten Dschungel«, warf Bull ein. »Niemand, den wir nicht schicken oder der da nicht Freunde hat. Alle anderen haben einfach zu viel Angst.«
»Könnte klappen«, sinnierte John. »Hol’ mich der Teufel, tausend Höllenhunde und ein Eisbär: Rourke hatte einen schlauen Einfall. Wann kannst du die
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