Missing in Action
Eifer an
den Tag legte. John vermutete, dass er hoffte, Reinhards würde sich als Verräter outen. Der kleine Pilot hatte bislang mit am meisten unter dem Manager zu leiden gehabt.
Mit dem Sturmgewehr auf der Schulter verließ John das Shuttle. Die Waffe war nun immer an seiner Seite, egal, ob drinnen oder draußen. Er hatte Grasses sorgenvolle Blicke durchaus bemerkt, hoffte aber, dass sie einen Streit zwischen John und Reinhards fürchtete, nicht ihre Entdeckung. Allerdings hatte sie die Ausbildung und das Können, eine verdeckte Operation durchzuführen, was wiederum ihm Sorgen bereitete.
Der Platz vor dem Shuttle war nun weitläufiger. Reinhards hatte mehr Wald roden lassen, was harte Arbeit gewesen war. Aber das Portal musste ein Stück vom Shuttle entfernt aufgebaut werden, auch wenn die Energieversorgung über die dicken Leitungen lief, die sie vom Shuttle zur Baustelle gelegt hatten.
Effektiv hatten sie jetzt zwei Lager zu verteidigen, das eigentliche Unterkunftslager beim Shuttle und das neue Portallager. Die künstlichen Lichtungen bildeten eine grobe Acht, wobei der gerodete Bereich beim Portal deutlich kleiner war.
An der Leitung, die dorthin führte, arbeiteten Sukarno und Kay. Der Programmierer hatte sich ein Tuch wie einen Turban um den Kopf gewickelt und sah aus wie ein seltsamer Guru. Tatsächlich aber war es wichtig, dass die Leitungen genauestens überprüft wurden. Wenn sie das Tor zündeten, würde die Energielast gewaltig sein, und sie wollten die Hardware keinesfalls
durch Unregelmäßigkeiten beschädigen. Bis dahin mussten sie allerdings noch die fehlenden Teile finden. Und den Verräter .
Es fiel John schwer, die beiden Techniker nicht als potenzielle Feinde zu betrachten. Er ertappte sich dabei, wie er in ihrer Mimik und Gestik nach Anzeichen dafür suchte, dass sie die Verräter sein könnten. Doch wenn sie es waren, verbargen sie es gut. Beide schienen gewissenhaft an dem Kabelstrang zu arbeiten. Kay führte ein Gerät daran entlang, während Sukarno händisch nach Problemstellen suchte.
»Wie kommen Sie voran?«, erkundigte sich John und fügte scheinbar jovial hinzu: »Verdammt heiß hier, was?«
Kay sah zu ihm auf. Das Hemd des Programmierers war schweißdurchtränkt. Er hatte sich einige Tage nicht rasiert, und mit dem improvisierten Turban, den er mit einem dicken Gummiband befestigt hatte, sah er eher aus wie jemand, der auf irgendeiner Welt in einer Einkaufszone mit einem selbstgemalten Das-Ende-istnah-Schild herumlief. Sukarno achtete mehr auf ihr Aussehen, aber auch ihr lief der Schweiß in der prallen Sonne über das Gesicht.
»Gut, gut«, keuchte Kay und stellte sein Diagnosegerät ab.
Sukarno setzte sich auf ihre Fersen und nickte bestätigend.
John lächelte freundlich und nahm seine Feldflasche vom Gürtel. »Trinken Sie. Wir wollen doch nicht, dass Sie dehydrieren.«
Dankbar nahmen die beiden sein Angebot an. Sukarno trank so gierig, dass ihr Wasser aus dem Mundwinkel, über ihr Kinn und in den Ausschnitt lief. Kay war beherrschter, aber als er John die Feldflasche zurückgab, war sie fast leer.
»Wenn wir die restlichen Teile finden und das Portal fertig bekommen, ist hier alles bereit«, berichtete Sukarno heiser.
»Shakey steigt morgen wieder auf. Diesmal wird er weiter in Richtung der Berge dort fliegen.« John deutete dorthin, wo an klaren Tagen manchmal eine blaue Bergkette am Horizont zu sehen war, die man auch für Dunst hätte halten können. Es war die entgegengesetzte Richtung zu den Klippen, die von ihrem Hochplateau hinabführten. »Wir finden Container Nummer Vier, und dann geht es ab nach Hause.«
Misstrauisch beobachtete John ihre Reaktionen. Sukarno schien zu erschöpft zu sein, um sich seinem Optimismus anzuschließen, und in Kays Miene zeigte sich kurz Skepsis, die aber bald wieder verschwand und von einem tapferen Lächeln ersetzt wurde. Nirgends sah John Furcht, wie sie ein Saboteur und Verräter doch empfinden musste, wenn er an die Rückkehr in die Zivilisation und in SEs Befragungszimmer dachte. Einerseits war es natürlich möglich, dass sich die Ratte für unentdeckt hielt und hoffte, im Falle einer Rückkehr einfach weitermachen zu können. Andererseits ging John davon aus, dass sie verdammt gut schauspielern konnte.
»Dann noch viel Erfolg.«
John zog die Kumpelhafter-Anführer-Nummer durch. Es war eine Rolle, die ihm nicht sonderlich stand, wie er selbst fand, aber momentan war ihr oberstes Ziel, alle in Sicherheit zu wiegen.
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