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Missing Link

Missing Link

Titel: Missing Link Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walt Becker
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und auf Eis. Er schloss die Augen, spürte die zunehmende Taubheit im Kopf und rutschte tiefer auf seinem Platz hinab. In seinem Magen breitete sich Wärme aus. Jetzt wusste er, dass er fähig sein würde zu vergessen.
    Zumindest eine Zeit lang.
    Die C-130 war schon mehr als elf Stunden in der Luft. Wegen der leichten Ladung würden sie nicht auftanken müssen.
    Nach einer Weile hörte Samantha auf, das Artefakt und das Fossil nach jeder kleinen Turbulenz zu überprüfen. Sie wusste, es würde schon eines Erdbebens der Stärke acht bedürfen, um die sorgfältig und sicher befestigten Kisten zu lösen. Außerdem wurden die Teile durch die Isolierung in den Stahlcontainern so geschützt, als wären es Eier.
    Sie versuchte sich wieder auf ihr Buch zu konzentrieren, das sie am Heathrow Airport auf ihrem Weg nach Mali gekauft hatte. Nach sechzig Seiten allerdings legte sie es zur Seite. Es war der sechste Gerichtskrimi vom selben Autor, aber sie hätte schwören können, dass sie den ersten las. Oder war es der vierte? Die Gerichtssäle schienen alle miteinander zu verschwimmen.
    Sie kramte in ihrer Tasche nach einem nordafrikanischen Kaugummi. Er schmeckte eklig, aber wenigstens hatte ihr Mund etwas zu tun. Erfolglos versuchte sie Ricardo zu wecken, und nachdem sie des leichten Grinsens auf seinem Gesicht gewahr wurde, kam ihr der Gedanke, dass sie ihm womöglich etwas mehr als die empfohlene Dosis gespritzt hatte. Sie ließ ihn liegen und stieg über Jack hinweg.
    Eigentlich wollte sie mit ihm über Tiahuanaco sprechen, doch sie fand auch ihn in seinem wohlverdienten Schlaf vor, sodass sie ihren Kopf gegen einen der vor ihm stehenden Wasserkühler aus Plastik lehnte und ihn beobachtete. Er schlief mit offenem Mund - das hatte sie immer an ihm gemocht. Das ließ ihn wie einen kleinen Jungen aussehen, besonders wenn sein Haar zerwühlt war. Ihr Blick glitt von den breiten Schultern hinab zu den starken Unterarmen, die aus den hochgekrempelten Ärmeln hervorschauten, dann zu den kräftigen Händen. Sie liebte Jacks Hände. Sie hatten ihr immer Sicherheit vermittelt.
    Jacks Teilnahme an der Expedition hatte in Samantha gemischte Empfindungen ausgelöst. Sie fühlte sich unwohl, und dennoch hatte er etwas, was sie in ihrem Leben bisher vermisst hatte. Jack weckte Dinge in ihr.
    Jack ließ sie etwas empfinden.
    Sie dachte über einige glückliche Zeiten nach, die sie miteinander gehabt hatten, über seinen rhetorisch perfekten Heiratsantrag und die kleine schmuddelige Wohnung, in der sie es sich gemütlich gemacht hatten, während draußen das Leben tobte. Sie dachte über die Art nach, wie Jack sie nach dem Sex angeblickt hatte. Er hatte ihr das Gefühl einer Königin vermitteln können. Sie stellte sich seinen nackten Körper vor - stark, straff, fest. Dann schweiften ihre Gedanken zu den Momenten ab, in denen er ihr durch seine Entscheidung, ihrer beider Karrieren durch den Dreck zu ziehen, wehgetan hatte. Sie hatte immer gedacht, er würde sie auf die Probe stellen, wie weit ihre Loyalität reichen würde. Es war nicht fair gewesen, sagte sie sich. Beinahe hätte sie alles verloren, wofür sie ihr Leben lang gearbeitet hatte - und Jack schien es egal zu sein.
    Die Entdeckung in Mali drohte alle Gründe zu untergraben, die sie gesammelt hatte, um Jack dieses gefühlsbedingte Ultimatum zu stellen. Seine Theorien klangen gar nicht mehr so verrückt. Eigentlich hatten sie sich bestätigt. Seine Rebellion war nicht die künstliche Verteidigung, die sie einmal gewesen zu sein schien. Doch warum machte er es einem so schwer, sich zu entschuldigen? Sie hatte Unrecht gehabt und war Frau genug, ja, bescheiden genug, um zuzugeben, das sie Jack brauchte. Das schien aber nicht zu reichen. Er konnte sie immer noch wütend machen. Sie dachte lange über die ihr von Jack zugefügten Freuden und Schmerzen nach, aber auch über den Schmerz, den sie in den vergangenen sechs Jahren vor jedem außer vor Gott hinter einem Berg Arbeit versteckt hatte.
    Schließlich glitten ihre Gedanken zu Ben Dorn ab. Das Dreieck, in dem sie sich befand, half ihr bei der Aussöhnung mit Jack wenig. In Wahrheit konnte sie Jack nicht vorwerfen, dass er über Dorns Beteiligung sauer war. Sie wäre es an seiner Stelle auch gewesen. Doch das Wiedersehen mit Jack ließ die Beziehung mit Dorn noch oberflächlicher erscheinen, selbst bei alldem Schmerz, den dieses Treffen mit sich brachte. Sie wollte nicht darüber nachdenken, was die gegenwärtige Allianz über sie

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