Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Missing Link

Missing Link

Titel: Missing Link Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walt Becker
Vom Netzwerk:
sie nicht bewegen können. Ist euch klar, was für Maschinen man heute dafür brauchen würde?«
    Ricardo leerte seinen Becher; seine Augen verrieten, dass er leicht betrunken war. »Sie müssten schon was hermachen.«
    Am Tisch der Fischer wurde applaudiert. Die Männer, sturzbetrunken, flüsterten miteinander. Vielleicht haben sie das eine oder andere Wort verstanden, vielleicht sind sie aber auch nur froh, dass ich endlich schweige, dachte Jack. Im Raum wurde es still, bloß das Feuer flüsterte dem warmen Gestein im Kamin etwas zu. Jeder der Anwesenden schien sich seine eigene Version solch einer Maschine auszumalen.
    »Dann glauben Sie also, dass diese Technologie von Außerirdischen stammt?«, fragte Dorn rundheraus.
    Jack wollte gerade antworten - ihm schien es sehr wahrscheinlich, dass die alten Erzählungen über die Leuchtenden einiges Licht in die Sache bringen könnten -, da erklang zweimal das tiefe Dröhnen eines Nebelhorns aus der Ferne.
    Das Signal, dass die Fähre repariert war.

 
Der See
     
    Die Fähre tuckerte mit Höchstgeschwindigkeit vor sich hin - kaum schneller als eine lahmarschige Seegurke, dachte Jack. Würde er versuchen, die Maschine schneller laufen zu lassen, hatte der Kapitän dieses verrosteten Kahns zu ihm gesagt, würde sie nur endgültig ihren Geist aufgeben. Als Samantha Jack daran erinnerte, dass die nächste Fähre nicht vor zwei Tagen abgehen würde, hörte er auf, den Mann zu drangsalieren, und kümmerte sich stattdessen wieder um seine Berechnungen. Nach einer Stunde zwang ihn sein Kopf zu einer Pause.
    Es war kälter geworden.
    Er zog einen Pullover über, den er von zwei Aymara-Frauen in Trinidad gekauft hatte. Die weiche Wolle hielt die Kälte ganz gut ab. Weder die vier Aspirin noch der spezielle Tee, den die Ortsansässigen als Elixier in der extremen Höhenlage des Titicacasees benutzten, schienen gegen seine Kopfschmerzen zu helfen. Der Punsch in der Kneipe hatte es sicherlich nicht getan. Jack ließ sein Notizen auf dem verwitterten Tisch im runtergekommenen Brückenhaus liegen. In seinem Kopf war ein hoffnungsloses Durcheinander. Die Höhe machte ihm zu schaffen, aber ihm war klar, dass die Berechnungen auf Meereshöhe auch nicht einfacher gewesen wären.
    Jack stolperte vorwärts und kämpfte gegen das Schlingern des Boots an, bis er am Bug war. Das Licht des dreiviertel vollen Monds spiegelte sich unzählige Male auf der vom Wind leicht gekräuselten Wasseroberfläche. Er tastete nach seinem Lippenfettstift, der sich in den Nähten seiner Tasche verheddert hatte, und schmierte seine trockenen Lippen ein.
    Der Titicacasee lag in einer Höhe von dreitausendachthundert Metern und war damit der höchste schiffbare See der Welt. Mit seinen etwa achttausenddreihundert Quadratkilometern war er riesig und erschien den Aymara wahrscheinlich wie ein Meer.
    Geologisch gesehen, gehört der See zu einer seit langem vergangenen Welt. Obwohl er gute zwei Meilen über dem Meeresspiegel liegt, ist die Umgebung mit fossilen Seemuschelschalen übersät, ein Hinweis darauf, dass irgendwann einmal der gesamte Altiplano aus einem Meeresboden aufgefaltet worden war. Während dieser geologischen Veränderungen könnten riesige Mengen Meerwasser im gesamten Andengebiet verteilt gewesen sein, das anschließend von Land umschlossen wurde. Obwohl der See hunderte von Meilen vom Meer entfernt liegt, sind viele der Tiere, die dort leben, eher
    Salz- als Süßwasserarten.
    Spuren einer neuzeitlichen Hebung sind ebenfalls sichtbar. Archäologen haben Hinweise darauf gefunden, dass Tiahuanaco früher auf einer Insel im See lag. Heute befinden sich die Ruinen der Stadt zwölf Meilen vom Ufer entfernt. Jack hatte sämtliche Arbeiten von Posnansky über Tiahuanaco gelesen. Posnansky war einer der Ersten gewesen, die behaupteten, dass die Stadt einst ein Inselhafen gewesen sei. Im Zuge seiner Ausgrabungen entdeckte er künstlich angelegte Docks, die hunderte von Schiffen hätten aufnehmen können. Einige dieser gewaltigen Steinkonstruktionen wogen über vierhundertvierzig Tonnen. Posnansky glaubte, dass sich nahe Tiahuanaco eine Katastrophe ereignet hatte. Jack rief sich die bedrückendsten Entdeckungen des Mannes ins Gedächtnis:
    »Wir fanden Fragmente von menschlichen und tierischen Skeletten, die in völliger Unordnung zwischen bearbeiteten Steinen, Gebrauchsgegenständen, Werkzeugen und zahlreichen anderen Gegenständen lagen. Das alles war bewegt, zerbrochen und in einem Haufen ohne System

Weitere Kostenlose Bücher