Missing Link
Santillana oder Sellers - sie alle geben bereitwillig zu, dass mit unseren Ansichten über die Vergangenheit etwas nicht stimmt.« Jack nahm einen Schluck von dem warmen Punsch. »Graham Hancock sagt, wir seien >eine Spezies mit Amnesiec. Das ist die beste Beschreibung, die ich je gehört habe. Ich glaube, die menschliche Rasse hat vergessen, woher sie kommt. Würden wir auf unsere Mythen hören, würden wir merken, dass darin unsere Vorgeschichte erzählt wird. Wie sonst können Sie sich die zahllosen Geschichten weltweiter Unglücke erklären, die die Menschheit beinahe ausrotteten?«
»Sie sprechen über die Sintflut. Aus der Bibel.«
»Ja, eine große Überschwemmung. Eine Erderschütterung. Ein furchtbares Ereignis, von dem jemand wollte, dass es nicht vergessen wird.«
»Sie glauben wirklich, dass es sie gab?«, fragte Dorn.
»Ich weiß, dass es sie gab.« Jack schwieg kurz. »Es existieren über fünfhundert Legenden aus der ganzen Welt. Dr. Richard Andree, der sechsundachtzig dieser Legenden untersucht hat, kam zu dem Schluss, dass zweiundsechzig vollkommen unabhängig von hebräischen und mesopotamischen Erzählungen entstanden sind. Eine Geschichte der bevorstehenden Vernichtung unserer Spezies - und von den wenigen Überlebenden, die ganz von vorn anfangen mussten.«
»Wie Noah«, meinte Samantha.
»Oder wie Utnapischtim für die Sumerer oder die Tezpi aus Mittelamerika oder die Erzählungen der Maya über den Großen
Vater und die Große Mutter, die die Zerstörung überlebt haben, um die Erde wieder zu bevölkern. Die Inuit glaubten, die große Flut sei von einem Erdbeben begleitet gewesen, das sich so schnell ereignet habe, dass nur ein paar überlebten. Die Luiseno-Indianer aus dem mexikanischen Niederkalifornien waren der Meinung, diese Überlebenden seien auf die höchsten Gipfel geflohen, bis das Wasser zurückging. Die Karen aus Birma erzählen von zwei Brüdern, die sich auf einem Floß vor der Flut retteten. In Vietnam überlebten ein Bruder und eine Schwester in einer Holzkiste - zusammen mit zwei Exemplaren jeder Tierart. In Malaysia glaubt das Volk der Che Wong, dass ihre Welt - sie nennen sie Erde Sieben - hin und wieder auf den Kopf gestellt und alles überflutet und zerstört wird. Samoer, Japaner, Griechen, Ägypter - die Liste ist unendlich.« Jack machte eine kurze Pause, während der er in die Flammen blickte. »Wir haben uns nicht einfach nur aus der Steinzeit heraus entwickelt, wir wurden in die Steinzeit zurückgeworfen - durch eine große Katastrophe, die uns beinahe vom Planeten weggewischt hat.«
Wind rüttelte an den Fensterläden, und durch die geöffnete Eingangstür drang die unsichtbare Kälte der Anden.
»Zu glauben, unsere Zivilisation würde sich auf einem Höhepunkt befinden, den wir in einem vollkommen linearen Verlauf erreicht hätten, ist nicht nur arrogant, sondern widerspricht leider auch den Fakten. Platon behauptete in zwei seiner Bücher, dass periodische Katastrophen unseren Planeten verwüsten und nur wenige Überlebende übrig lassen würden - mit seinen Worten gesprochen, waren sie >der Wissenschaft und Bildung beraubt, um wie Kinder ganz von vorn anzufangen<.«
Samantha konnte ihren Blick von Jack nicht abwenden. Er hatte sie schon immer inspiriert. Sie folgte jeder seiner Bewegungen im Bewusstsein dessen, warum sie sich vor Jahren so in ihn verliebt hatte.
»Sie sehen, Zivilisation könnte auch etwas Kreisförmiges, nicht Lineares sein. Was ist, wenn sich die Zivilisation entwickelt hat, zusammengebrochen ist und sich dann wieder entwickelt hat? Platons Gedanken basierten auf dem Beweis, den er über die große Katastrophe hatte und durch die die Überlebenden gezwungen waren, neu zu lernen. Eine neue Kultur zu entwickeln. Eine Tatsache nach der anderen deutet auf eine andere Sichtweise über die Urgeschichte als diejenige, die mir meine Anthropologie-Professoren eingehämmert haben.«
»Was meinen Sie damit?«, fragte Dorn.
»Es gibt hunderte von Widersprüchen, die nicht zur gegenwärtigen Sichtweise über unseren Ursprung als Spezies passen - über die Geschichte der Kultur im Allgemeinen. Zum Beispiel die Datierung des Sphinx.«
»Was ist damit?«, fragte Dorn.
Jack ging auf und ab - eine Gewohnheit, die sich während hunderter von Vorlesungen herausgebildet hatte. »Der große Sphinx wurde nach der herkömmlichen Anschauung etwa 2500 v. Chr. von Pharao Khafre erbaut. Das wird in den Schulen gelehrt. Aber neuere Geologen - Gott schütze
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