Mission Ares
ist Lee. John K. Meine Freunde nennen mich JK.«
Der Druck der schwieligen Hand war fest. Das war nicht der Händedruck eines Bürohengstes.
»Sind Sie einer von den MEM-Bewerbern?«
»Nee«, sagte Lee. »Ich bin von der CA. Columbia Aviation.
Sagen Sie nur, Sie hätten noch nie von uns gehört.«
Gershon grinste.
Lee zuckte die Achseln. »Wir sind Zulieferer für Rockwell und andere Firmen und führen auch Versuche für die NASA durch. Wir entwickeln Lifting Bodies und so. Wir sind zwar klein, aber auf Expansionskurs, und wir sind besser als die anderen. Wenn die Konzepte präsentiert werden, treten wir gegen die Großen an und versuchen, uns auch ein Stück vom Kuchen abzuschneiden.« Er betrachtete das Hauptquartier, den großen Backsteinbau. »Ich habe für eine Weile hier gearbeitet, müssen Sie wissen. Unter Dutch Kindelberger.«
Gershon musterte Lee mit neuem Interesse. Natürlich war
dieser Name ihm ein Begriff. Jedes Kind, das sich wie Gershon für Flugzeuge und seine Konstrukteure begeistert hatte, kannte Dutch Kindelberger. Dutch hatte Rockwell – die damals noch als North American Aviation firmierte – während der Kriegsjahre aufgebaut, indem er das vielleicht beste amerikanische Fluggerät jener Zeit produzierte, die P-51
Mustang.
»Dutch hat dieses Gebäude selbst entworfen«, sagte Lee.
»Wir nannten es die ›Ziegelei‹.«
»Ich wußte gar nicht, daß Kindelberger auch ein Architekt war.«
»War er auch nicht.« Lee grinste. »Sie halten den Bau nicht für repräsentativ?« Er ließ den Blick schweifen, über den Flughafen, den Boulevard, das Ensemble der Rockwell-Gebäude. »Auf dem Hauptgebäude befand sich ein Schild, dort drüben…« Er deutete in die entsprechende Richtung. »Es war meilenweit zu sehen. ›Heimat der X-15‹.«
Bei Gershon machte es ›klick‹. »Ihr Gesicht kam mir die
ganze Zeit schon bekannt vor.« Er erinnerte sich vage an ein Foto, das er als Kind aus der Zeitung ausgeschnitten hatte: ein Experimentalflugzeug in Edwards, vor dem eine Reihe grinsender junger Ingenieure angetreten war; alle mit Brille, Biberzähnen und wuscheligem Haar. »Sie haben an der X-15
gearbeitet?«
»Nein«, sagte Lee. »Aber ich weiß, was Sie jetzt denken.«
»Die B-70. Sie haben an der B-70 gearbeitet, nicht wahr? Mit Harrison Storms.«
Harrison Storms war der Mann, der das Apollo-Raumschiff
für Rockwell entworfen hatte. Und zuvor hatte er die B-70
konstruiert, einen Überschall-Bomber. Gershon erinnerte sich an die alten Fotos: der Edelstahlrumpf, der einen weißen Anstrich bekommen hatte, um die bei Mach 3 entstehende Hitze abzuleiten, die großen Deltatragflächen in fünf Metern Höhe…
»Der Kongreß hat das Projekt gestrichen«, sagte Lee. »Wir haben nur zwei dieser verdammten Dinger gebaut. Und von einer weiß ich, daß sie mit einer F-104 zusammengestoßen ist.
Die andere wurde wohl verschrottet.«
»Nein. Sie existiert noch. In einem Museum.«
Lee beäugte Gershon und lächelte dann. »Wie ist das
möglich? Davon wußte ich gar nichts.«
Gershon schaute auf die Uhr. »Kommen Sie. Es ist schon
nach neun. Wir müssen gehen.«
»Sicher. Wir wollen schließlich nichts verpassen, nicht
wahr?«
Nebeneinander betraten sie die ›Ziegelei‹.
Zwei korpulente Angestellte mühten sich mit einem sperrigen Overheadprojektor ab. »Weißt du auch wirklich, wie man dieses Ding fliegt, Al?« fragte einer.
Al lachte nur.
Gershon versuchte, es sich auf dem kleinen, harten Stuhl bequem zu machen. Die Aktentasche verstaute er unter dem Tisch. Es war jetzt schon heiß und stickig, und der Kragen scheuerte am Hals.
Das Wort ›fliegen‹ brachte bei ihm eine Saite zum Klingen.
Einen Projektor fliegen. Einen Tisch fliegen. Mein Gott.
Worte, die von Leuten in den Mund genommen wurden, deren Verständnis vom Fliegen sich darauf beschränkte, bei der Flugbegleiterin einen Drink zu ordern.
Der Vorsitzende bat um Ruhe. Es handelte sich um Tim
Josephson, den NASA-Inspektor – ein ›langes Elend‹ mit dem Habitus eines Bücherwurms. Er nahm auf einem Drehstuhl an der Stirnseite des Tischs Platz und rasselte die Tagesordnungspunkte herunter.
Lee lehnte sich zu Gershon hinüber. »Was sagen Sie dazu?
Das ist Dutchs altes Büro. Da steht sogar noch sein Stuhl, um Himmels willen. Rockwell muß wirklich scharf sein auf diesen Auftrag.«
Die Wand hinter Josephson zierte ein Gemälde. Es zeigte eine P-51 Mustang, die frontal auf den Betrachter zuflog.
Gershon wollte
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