Mission Ares
gelegtes Gitter, vierhundert Kilometer vom Startpunkt entfernt.
In einer Höhe von achtzehntausend Fuß zog er die
Luftbremsen ein und betätigte die aerodynamische Steuerung, um in einen korkenzieherartigen Sinkflug zu gehen – mit dem Ziel, so viel Geschwindigkeit und Energie wie möglich zu verzehren.
In einer Höhe von tausend Fuß über dem ausgetrockneten See ging er in den Horizontalflug über und stieß die Bauchflosse ab. Er fuhr die Landeklappen aus und zog die vom Wiedereintritt versengte Nase hoch. Zwei Abfangjäger setzten sich neben ihn.
Dann setzte die X-15 auf. Die Kufen am Heck wirbelten
Staub und Steine auf, und Stone wurde durchgeschüttelt,
während die Kufen über den ausgetrockneten See hoppelten.
Das Bugrad hing noch für ein paar Sekunden in der Luft, bevor es aufsetzte und seinerseits eine Staubwolke aufwirbelte.
Anderthalb Kilometer vom Aufsetzpunkt kam die X-15 zum
Stehen. Die Abfangjäger donnerten über sie hinweg.
Nachdem der Staub sich auf die Kanzel gelegt hatte, schaltete Stone alle Systeme ab, schloß die Augen und ließ sich in den Sitz zurückfallen.
Das Korsett des Druckanzugs bohrte sich ihm in den Rücken.
Stone hatte sich als Pilot bewährt. Doch mit einem Flug wie dem heutigen würde er bei der NASA keine Punkte sammeln.
Ich habe ein Überschall-Trudeln unter Kontrolle gebracht! Ich habe die Kiste heil ‘runtergebracht, und wenn ich in der Lage bin, das zu rekonstruieren, komme ich ins Handbuch. Und trotzdem hob ich es verbockt. Ich habe die wissenschaftlichen Untersuchungen nicht abgeschlossen, und ich habe die Checkliste nicht vollständig abgehakt. Und das war das einzige, wofür die NASA sich interessierte.
Eine Faust schlug gegen die Kanzel. Die Bodenbesatzung war angekommen; durch das staubige Glas sah er ein breit grinsendes Gesicht. Er hob eine behandschuhte Hand und
krümmte Daumen und Zeigefinger zu einem ›Perfekt‹-Symbol.
Ein Tagewerk im Raumfahrtprogramm war vollbracht.
Montag, 13. April 1970
›Angelhaken‹, Kambodscha
Im Jahre 1970 war Ralph Gershon fünfundzwanzig Jahre alt.
Er war in ärmlichen Verhältnissen auf einem Bauernhof in Iowa aufgewachsen und hatte bei der harten Arbeit vom Flug ins Weltall geträumt. Als Kind war er mit Weinbaum und Clarke, Rice Burroughs und Bradbury zum Mars geflogen;
später hatte er fasziniert die Entstehung des RaumfahrtProgramms verfolgt. Er hatte ein paar Flugstunden genommen, in der Schule gebüffelt und wurde schließlich – wobei er gegen viele Vorurteile ankämpfen mußte – in die Akademie und dann in die Luftwaffe aufgenommen.
Er hatte einen Traum verwirklicht.
Aber die Wirklichkeit war dann nicht so wundervoll.
Gershon war kaum von der Basis aufgestiegen, als er auch schon über dem Dschungel dahinflog. Er erstreckte sich als schwarzes Meer bis zum Horizont, dunkler als der Himmel.
Sein Flügelmann hatte bereits Vollschub gegeben und war
nicht mehr zu sehen; er befand sich wohl schon oberhalb der Viertausend-Fuß-Marke.
Während die Maschine stieg, schwoll das Turbinengeräusch an, und der Propeller schnitt durch rauchige Luft. Nun sah Gershon Lichtblitze, rote Nadelstiche im getarnten Boden. Die Nadelstiche waren Mündungsblitze der Artillerie.
Die Luft war von Rauch geschwängert: etwa doppelt so
schlimm wie der durchschnittliche Smog von Los Angeles. Der Rauch regte Gershons Phantasie an. Dort unten unterhielten Hunderte, wenn nicht Tausende von Bauern rauchige Feuer auf ihren matschigen Feldern.
Jeder von ihnen trug seinen Teil dazu bei, um ihm, Gershon, und seinen Kameraden das Leben schwerzumachen. Man durfte gar nicht darüber nachdenken – dann wurde einem
nämlich bewußt, wie groß dieses Land war und welche Schläge es verkraftete.
Also verdrängte Gershon den Gedanken daran.
Nun ging er in den Horizontalflug. »Marschflug«, wies er seinen Flügelmann an.
Die Radarüberwachung meldete sich über Funk. Damit hatte er schon gerechnet. Er schaltete die Taschenlampe ein, um die Karte zu markieren.
Gershon hatte eigentlich ein Ziel in Südvietnam angreifen sollen. Doch nun wies die Leitstelle ihm ein neues Ziel zu.
Gershon änderte den Kurs. Die Maschine spulte weitere
Kilometer über dem anonymen, komplexen Dschungel ab.
Nach dem Einsatz würden die Verantwortlichen alle Beweise für die Mission vernichten und melden, daß der Angriff wie geplant in Südvietnam stattgefunden habe.
Und nicht im neutralen Kambodscha.
Und wie bei vorherigen
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