Mission Ares
Warnlampe leuchtete auf. Noch eine Störung. Aus
irgendeinem Grund waren die automatischen Korrekturdüsen abgeschaltet worden. Zunächst war das noch kein Problem; die Atmosphäre war noch immer so dicht, daß er in der Lage war, das Flugzeug aerodynamisch zu steuern.
In der unteren Atmosphäre flog die X-15 wie ein normales Flugzeug. Sie hatte konventionelle aerodynamische Flächen –Querruder und Höhenruder –, die Stone elektronisch oder mechanisch bediente. Doch oberhalb der Atmosphäre war die X-15 ein Raumschiff. Die automatische Fluglageregelung – mit kleinen Schubdüsen wie bei einem Raumschiff – erfolgte durch ein Steuergerät mit der Bezeichnung MH96. Dann gab es noch ein manuelles Fluglageregelungs-System (FRS), das über einen an der linken Seite des Pilotensitzes befindlichen Knüppel betätigt wurde.
Er hatte den Fehler schnell gefunden. Das automatische FRS
hatte sich selbst abgeschaltet, weil der Stellfaktor des MH96, des Steuersystems, auf unter fünfzig Prozent gefallen war. Der Stellfaktor sollte reduziert werden, wenn das Flugzeug sich in der dichten Atmosphäre befand; dann sollte das MH96 sich selbst deaktivieren, um Brennstoff – Wasserstoffperoxid – zu sparen. Doch diesmal hatte der Stellfaktor sich verringert, weil die Steuerhydraulik der aerodynamischen Flächen defekt war.
Da das Steuergerät infolgedessen mit falschen Daten versorgt wurde, hatte es das automatische FRS abgeschaltet.
Es sah so aus, als ob die Störungen in der Elektrik sich nun nicht mehr nur auf das Funkgerät beschränkten. Sieht so aus, als wären wir von einer Schlange gebissen worden, alter Freund.
Zumal der Raketenbrennstoff sowieso gleich verbraucht war.
Er betätigte einen Schalter, und das Triebwerk wurde mit einem Knall abgeschaltet.
Er wurde in die Gurte gedrückt und driftete dann wieder
zurück.
Nun befand er sich auf einer ballistischen Flugbahn, und die X-15 würde antriebslos dem Scheitelpunkt der Parabel zustreben. Er hatte kein Gefühl mehr für Geschwindigkeit und Bewegung. Er saß schwerelos in der Kabine und hatte den Eindruck, als ob ihm die Eingeweide zum Hals herauskommen würden.
Er versuchte die Probleme zu verdrängen. Er war noch immer in der Luft und noch immer unversehrt. Was auch immer mit dem MH96 geschah, er mußte sein Programm abarbeiten, eine ganze Testreihe für die NASA und die Luftwaffe.
Eine Minute einundvierzig Sekunden.
Er aktivierte das Sonnenspektrum-Meßgerät und den
Mikrometeoriten-Kollektor im Behälter unter der linken
Tragfläche.
Plötzlich schoß der Stellfaktor des MH96-Steuersystems ohne ersichtlichen Grund auf neunzig Prozent hinauf, und das automatische FRS wurde wieder aktiviert.
Er überprüfte die Instrumente. Wie bei den meisten
Experimentalflugzeugen hatte auch das Cockpit der X-15 eine primitive Einrichtung, mit blanken Nieten und freiliegenden Kabeln. Wenigstens schien er die Maschine seit dem Übergang auf den Gleitpfad zum erstenmal völlig unter Kontrolle zu haben. Er freute sich zwar über das Anspringen der Automatik, fragte sich aber besorgt, welches System wohl als nächstes ausfallen würde.
Er hatte wenig Zutrauen zu der alten Kiste. Vielleicht weiß sie, daß es ihr letzter Flug ist; vielleicht möchte sie lieber mit flammendem Ruhm untergehen, als für ein paar Jahrzehnte in einem Museum verrotten.
Bald würde er den Scheitelpunkt erreichen, den Gipfel der Flugbahn bei zweihundertsechzigtausend Fuß.
Es war Zeit, die präzise Position einzunehmen, die für die Messung des Sonnenspektrums erforderlich war. Er mußte die Maschine nach unten drücken und nach links abfallen. Er flog bereits in einem Anflugwinkel von null Grad, doch das Flugzeug gierte und rollte leicht nach rechts. Also ließ er für zwei Sekunden die Rollkorrektur-Düse feuern, um die Tragflächen in die Horizontale zu bringen. Dann ließ er die Gierkorrektur-Düse feuern, um die Nase der X-15 nach links zu drücken. Die X-15 verhielt sich nun wie eine kardanisch aufgehängte Plattform, die jede von ihm gewünschte Richtungsänderung ausführte. Um das Rollen nach links zu unterbinden, ließ er eine weitere Düse feuern…
Er rollte noch immer nach links. Mein Gott. Was nun?
Gerade als er das Manöver beenden wollte, hatte das MH96
wieder versagt und das automatische FRS deaktiviert.
Um die Rotation der Maschine zu stoppen, ließ er die rechte Rollkorrektur-Düse für weitere acht Sekunden feuern. Doch die Luft war hier oben so dünn, daß die
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