Mission Ares
X-15 hermetisch eingeschlossen. Das
Triebwerk der B-52 befand sich vielleicht einen Meter über seinem Kopf, doch Stone, der in der Druckkanzel wie in einem Kokon eingesponnen war, hörte den Lärm kaum. Aus dem Augenwinkel sah er die Rotte der Abfangjäger, welche die B-52 eskortierten. Nach diesem Flug ist ›verdammt noch mal‹
Schluß.
Nach fünfzehn Jahren neigte das X-15-Programm sich dem
Ende zu. Es gab nur noch eine flugfähige X-15: diese hier, die X-15-1. Die Maschine flog ihren ersten Einsatz im Jahre 1960.
Sie war ein Veteran mit neunundsiebzig Einsätzen auf dem Buckel. Die Besatzung von Edwards wollte das Programm mit diesem, dem zweihundertsten Flug abschließen. Man hatte Phil gebeten, sich dafür zur Verfügung zu stellen. Doch dann war es über einer Reihe von Verzögerungen und technischen Pannen Winter geworden, und nun fand der Flug ein Jahr später statt als ursprünglich geplant.
Für Stone war das ein verlorenes Jahr. Doch er hatte in der Zwischenzeit den Wechsel zur NASA vorbereitet, um die Voraussetzungen für die neue Laufbahn zu optimieren.
»Fünfzehn Sekunden bis zur Trennung. Abfangjäger in
Position. Zehn Sekunden.«
Er spürte, wie das Herz im silbernen Druckanzug etwas
schneller schlug. Wie es einem solchen Moment angemessen war.
»Drei. Zwei. Eins. Los!«
Mit einem vernehmlichen Knacken gab die B-52 die X-15
frei. Die Maschine tauchte unter dem Trägerflugzeug weg, und Stone wurde in den Gurten nach vorn gerissen.
In einer Höhe von fünfundvierzigtausend Fuß tauchte Stone aus dem Schatten der Bombertragfläche hervor und wurde vom gleißenden Sonnenlicht geblendet. Das Licht in dieser Höhe war ein tiefes Blau und glich fast schon Dämmerlicht. Die Abfangjäger waren als silberne Lichtpunkte um ihn herum verstreut, und ihre Kondensstreifen durchschnitten die Luft.
Das Land krümmte sich unter der Nase des Flugzeugs, als ob die Mojave-Wüste eine riesige Kuppel wäre. Er sah den erodierten Buckel von Soledad, den Einsamen Berg, der über dem achthundert Meter über dem Meeresspiegel gelegenen Rogers Dry Lake dräute. Die zahlreichen ausgetrockneten
Salzseen mit ihren Tupfern aus kargen Pflanzen glitzerten wie Glas. Es war ein öder, trostloser Ort. Jeden Sommer buk die Wüstensonne die feuchten Flußbetten zu einer glatten Fläche zusammen. Der Ort war ein ideales Flugfeld, das überall eine sichere Landung ermöglichte.
Es war kurz nach halb elf.
Per Knopfdruck zündete Stone das Raketentriebwerk der X-15.
Er wurde in den Sitz gepreßt. Das Flugzeug ging in den
Steigflug, während Ammoniak und Sauerstoff verbrannt
wurden. Er raste hinauf in den Himmel, dessen Blau immer dunkler wurde. Bis auf Stones Atem, der im Innern des Helms widerhallte, war es fast still – das Triebwerksgeräusch und die Abgase blieben hinter ihm zurück.
Weit voraus sah er einen Lichtpunkt wie einen schwachen
Stern. Es war ein Abfangjäger in großer Höhe. Plötzlich stand er wie ein Blitz vor Stone und fiel dann hinter ihn zurück, als ob er in der Luft verharrte.
Bei vierzigtausend Fuß erreichte er Mach null komma neun und spürte einen Ruck, wie ein Leichtflugzeug, das in Turbulenzen geriet. Er flog nun so schnell, daß die
Luftmoleküle nicht mehr imstande waren, dem Flugzeug
rechtzeitig auszuweichen.
Die Turbulenzen legten sich, als er die Schallmauer
durchbrach.
Achtzigtausend Fuß.
Er schob den Schubhebel bis zum Anschlag vor und wurde
mit viereinhalb Ge in den Sitz gepreßt. Die X-15-1 stieg fast senkrecht. Die Farbe des Himmels wechselte von Azur zu Marineblau. Er war schon so hoch, daß er mitten am Tag die Sterne sah; in dieser Höhe faserte die Atmosphäre bereits aus, so daß sie den aerodynamischen Steuerflächen der Maschine kaum noch Widerstand bot.
Das Gefühl der Macht, der Rausch der Geschwindigkeit und die Beherrschung des Flugzeugs waren überwältigend.
Nun hatte er neunzigtausend Fuß erreicht, bei einer Steigrate von dreitausendzweihundert Fuß pro Sekunde. Die Wüste breitete sich unter ihm aus; das über sechshundert Meter über dem Meeresspiegel gelegene Terrain wirkte wie das ausgetrocknete Dach der Welt.
Nach einer Flugdauer von kaum einer Minute gab es die
ersten Schwierigkeiten.
Er bekam eine Nachricht von der Bodenstation. Es hörte sich so an, als ob sie die Telemetrie des Vogels verloren hätten. Das Problem war nur, die Funkverbindung hatte sich plötzlich so verschlechtert, daß er nicht sicher war, was sie sagten.
Eine
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