Mission Ares
ging zu Bett.
Nach einer Stunde legte er sich zu ihr. Er streichelte ihr zärtlich das Gesicht, fuhr übers Nachthemd und legte ihr die Hand auf die Brust.
Doch sie wandte sich ab. Sie war viel zu angespannt und
verärgert. Nicht nur, daß sein Atem nach Schnaps stank; er roch aus jeder Pore nach Alkohol.
Immerhin war er bei ihr. Bei diesem Gedanken beruhigte sie sich und glitt in den Schlaf ab. Immerhin ist er bei mir.
Vielleicht gelingt es mir morgen, ihn zu überreden, wenigstens einmal früher nach Hause zu kommen.
Bevor sie einschlief, klingelte das Telefon. JK reagierte sofort. »Lee.«
Sie hatte die Entwicklung von Columbias MEMProgramm
mitverfolgt. Weil JK Arbeit mit nach Hause nahm und dort auch regelmäßig Geschäftsbesprechungen anberaumte – wobei er sie fast nie vorher informierte –, verfolgte sie das Programm gezwungenermaßen mit.
Einmal nahm JK sie nach Boston mit, wo die Firma Avco den Hitzeschild des MEM herstellte. Es war ein faszinierender Ort.
Die Beschichtung des Hitzeschilds bestand
aus
wärmeabsorbierendem Epoxidharz, einer Substanz, welche die Avco-Ingenieure ›Avcoat 5026-39‹ nannten. Eingeschlossen war das Epoxidharz in einem Wabenkern aus Titan, der mit der Unterseite der Kapsel verklebt wurde. Das Epoxidharz wurde mit einer Spritzpistole in die einzelnen Zellen gepumpt. Diese Arbeit mußte von Hand erfolgen, wobei die Techniker insgesamt zweihunderttausend Waben zu befüllen hatten. Falls eine Röntgenuntersuchung eine Luftblase an den Tag brachte, wurde die entsprechende Zelle mit einem Zahnarztbohrer entkernt und mit einer neuen Füllung beschickt.
Jennine beobachtete den Vorgang durch eine Glasscheibe.
Die mühselige Handarbeit mutete geradezu mittelalterlich an.
Und sie fragte sich, was für ein Gefühl es wohl war, an etwas zu arbeiten – es mit den Fingerspitzen zu berühren und zu formen –, von dem man wußte, daß es eines Tages vielleicht auf dem Mars landete.
Avco würde die Erprobung des Hitzeschilds schrittweise
intensivieren: anfangs würde man ihn mit Flammenwerfern
bestreichen und zuletzt einem raketengetriebenen Eintritt in die Erdatmosphäre unterziehen…
Daß JK sich die Mühe machte, ihr Einblicke in seine Arbeit zu gewähren, war jedoch die Ausnahme und nicht die Regel.
Meistens mußte sie auf ihn verzichten oder stumme Dienerin bei seinen Geschäftsbesprechungen spielen.
Jennine hatte JK im Jahre 1955 geheiratet.
Damals hatte er als Flugzeugingenieur bei Caltech gearbeitet, dem in Pasadena angesiedelten California Institute of Technology.
Die Hochzeit fand in einer katholischen Kirche in der Nähe von Jennines Elternhaus in New Orleans statt. Sie hatte ihre Stelle als Rechtsanwaltsgehilfin in einer großen Kanzlei aufgegeben und war JK tausend Meilen weit gefolgt, um ihm in privater wie beruflicher Hinsicht eine Stütze zu sein. So war das eben üblich im Jahre 1955.
Als Hochzeitsgeschenk spendierten Jennines Eltern ihnen für ein paar Wochen einen Mietwagen. Sie fuhren damit nach Vermont, um den Altweibersommer zu genießen. Immer, wenn es Herbst wurde, dachte sie an diese Flitterwochen zurück.
Nach den Flitterwochen flogen sie in den Westen, und dann fuhr JK mit ihr nach Pasadena, wo er ein kleines Haus gemietet hatte.
Bei der Ankunft warteten schon ein paar von JKs Kollegen auf sie. Zunächst glaubte sie, es handele sich um eine Art Begrüßungsfeier. Doch weit gefehlt; wie sich herausstellte, war im Windkanal von Caltech eine Panne aufgetreten.
Also hatte JK ihr einen Kuß gegeben, sich ins Labor verzogen und sie mit dem ganzen Gepäck in der Einfahrt stehenlassen.
Als JK nach Hause kam, wurde es schon dunkel.
Die Flitterwochen in Vermont lagen nun siebenundzwanzig
Jahre zurück, und Jennine und JK waren seitdem nicht mehr zusammen in Urlaub gefahren.
Und dieses verdammte Mars-Programm war das schwierigste
Projekt, an dem JK bisher gearbeitet hatte. JK war von Haus aus Techniker und auch ein guter Manager – sagte Jennine sich –, wenn er mit relativ kleinen Gruppen arbeitete und ein überschaubares Projekt leitete. Doch nun hatte er einen Auftrag von nationaler Bedeutung, bei dem es sich noch dazu um das wohl komplexeste Bauprojekt aller Zeiten handelte.
Hinter den ohnehin schon komplexen Arbeitsabläufen bei
Columbia standen all die Zulieferer, mit denen Columbia
zusammenarbeitete: Honeywell (und nicht Hughes, wie JK
genüßlich bemerkt hatte) arbeitete an der Stabilisierung und Steuerung, Garrett Corporation
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