Mission Arktis
Eis, Feuer, Wasser und Rauch. Kanter spürte die Explosionen bis in die Knochen und fühlte sich plötzlich als Teil des Ganzen.
Nie war er so stolz gewesen wie in diesem Augenblick.
Dann entdeckte er eine Bewegung auf der Flanke des sterbenden U-Bootes.
15:06 Uhr
An Bord der Drakon
Mikowsky war auf seinem Sitz angeschnallt wie die meisten der Brückenbesatzung und versuchte, zumindest den Schein von Ordnung zu wahren. Ihr Boot war tot: ganze Abteilungen zerstört, überall Wasser, die Motoren so gut wie funktionsunfähig. Rauch wallte durch die Brücke und machte es schwer, klar zu denken und zu sehen. Die Explosionen waren ohrenbetäubend. Zwar hatten die Crewmitglieder Atemmasken übergestülpt, aber diese spärlichen Sicherheitsgeräte würden sie nicht retten können – sie gaben ihnen höchstens Gelegenheit zu einem letzten Racheakt.
»Nachricht über digitale Kurzwelle!«, rief der Funkoffizier aus dem benachbarten Kommunikationsraum; sein Gesicht hatte starke Verbrennungen von einem Elektrobrand, den er jedoch hatte löschen können. Seine Worte klangen, als kämen sie aus einem langen Tunnel: hohl und hauchig.
Mikowsky sah zu seinem Waffenoffizier hinüber und bekam von ihm das gewünschte Nicken. Sie konnten das richtige Protokoll nicht durchführen, aber die Kommunikation war noch intakt. Der Waffenoffizier bestätigte die Feuerleitlösung und die Zielerfassung – eine Lösung, wie sie nie zuvor berechnet worden war.
Vielleicht stand ihr Schiff vor dem Untergang, aber sie waren noch nicht tot.
Die Drakon verfügte über ein volles Kontingent von 200-KnotenShkvalTorpedos, SS-N-16 AntiUnterseebootRaketen und ein Paar UGST RaketenTorpedos. Letztere waren das Neueste an russischem Design, angetrieben von einem flüssigen Monotreibstoff mit eigenem Oxidationsmittel. Sie waren in speziellen Flankenrohren angebracht und schoben sich beim Abschuss aus der Seite des Bootes heraus. Im Jahr 2000 hatte ein Unfall bei ihrem Einsatz zur Tragödie der Kursk geführt – unsachgemäße Handhabung hatte den Tod aller an Bord befindlichen Seeleute nach sich gezogen.
Aber heute würde nichts falsch gehandhabt werden. Ein Nicken bestätigte ihm, dass das UGST Raketenrohr an Steuerbord bewässert und das Ziel erfasst war. Jetzt bedurfte es nur noch eines Wortes von ihm.
Des letzten Wortes, das er je sprechen würde.
»Feuer!«
15:07 Uhr
USS Polar Sentinel
»Ich registriere einen Raketenabschuss!«, rief der Sonarchef und sprang auf die Füße. »Torpedo im Wasser!« Perry trat auf ihn zu. »Ziel?«
Die Polar Sentinel befand sich auf dem Rückzug aus der Gefechtszone. Die Wasserbomben stellten eine Bedrohung für Perrys eigenes Boot dar. Die Eiskappe über ihnen speicherte die Erschütterungswellen der Explosionen und strahlte sie unter dem Eis nach außen ab – ungefähr so, als würde man einen Knallfrosch in die Toilette werfen.
Aber während die Sentinel floh, behielt Perry das russische U-Boot im Auge. Er ging keine Risiken ein.
»Anscheinend sind nicht wir das Ziel«, sagte der Sonarchef.
»Wer dann?«
Vor der Driftstation Omega
Fieberhaft versuchte Master Sergeant Kanter mit Delta One Kontakt aufzunehmen. Er musste eine Warnung durchgeben.
»Hier Delta One.«
Noch immer trug Kanter das SubvokalMikro – durch das auch das leiseste Flüstern zu hören war –, aber jetzt brüllte er: »Sir, Sie müssen dem Seahawk sagen …!«
Aber es war schon zu spät. Von seinem Standort auf dem Packeishügel sah Kanter eine Feuerwelle unter der brodelnden Wasserlinie des sinkenden U-Bootes aufleuchten. Eine Lanze aus grauem Metall schoss von der Flanke seines versunkenen Hauptteils aus dem Wasser empor.
Die Rakete raste himmelwärts, direkt auf den darüber schwebenden SeahawkHelikopter. Die Maschine hatte keine Chance mehr, rechtzeitig auszuweichen.
»Herr des Himmels!«, schrie Delta One in Kanters Ohr, als er die Gefahr entdeckte.
Der Torpedo traf den Helikopter. Wie ein Pfeil, der sein Ziel durchbohrt, schien er den Seahawk komplett zu durchdringen.
Kanter hielt den Atem an.
Dann schnitten die Rotoren in die Spitze der Torpedorakete. Die Explosion – verstärkt durch die beiden verbliebenen Wasserbomben, die noch am Fahrgestell des Helikopters hingen – breitete sich in einem Ball aus Metall und Flammen aus.
Kanter hechtete hinter den Grat des Eishügels, suchte dort Schutz vor dem Regen aus Öl und Stahl und bedeckte zusätzlich den Kopf mit den Armen. Durch den Lärm der Explosion hindurch
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