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Mission Arktis

Titel: Mission Arktis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Rollins
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Nähe von Lake Anjikuni abgesetzt. Sie holten sich die Einwohner eines abgelegenen Dorfs. Jeden Mann, jede Frau, jedes Kind nahmen sie mit.« Er strich dem Jungen über die Haare. »Sie sammelten sogar die Leichen ein, die in den gefrorenen Gräbern erhalten geblieben waren, als Vergleichsgruppe für ihr Projekt. Wer würde schon ein paar isolierte Eskimos vermissen?«
»Das glaube ich nicht. Wir würden nie an Menschenexperimenten teilnehmen.«
»Glauben Sie das allen Ernstes?«
Pike starrte ihn wütend und trotzig an.
»Ihre Regierung hat in der Vergangenheit häufig die Bürger als Versuchspersonen benutzt, die sie als weniger erwünscht einstufte. Sicher sind Sie mit der TuskegeeSyphilisStudie vertraut. Zweihundert schwarze, an Syphilis erkrankte Männer wurden ohne ihr Wissen als Forschungsobjekte missbraucht. Man hat ihnen nichts von ihrer Krankheit gesagt und ihnen eine angemessene Behandlung vorenthalten, damit die amerikanischen Forscher das qualvolle Ende dieser Männer dokumentieren konnten.«
Der Gefangene hatte so viel Anstand, die Augen zu senken. »Das war in den dreißiger Jahren. Vor langer Zeit.« 
    »Da hat es aber nicht aufgehört«, korrigierte ihn Viktor. »Neunzehnhundertvierzig, in Chicago. Vierhundert Gefangene wurden gezielt mit Malaria infiziert, um experimentelle Medikamente zu erproben. Es war übrigens genau dieses Experiment, mit dem die Nazis später versuchten, ihre eigenen Gräueltaten während des Holocaust zu rechtfertigen.«
»Aber man kann so etwas doch nicht mit dem vergleichen, was die Nazis gemacht haben. Wir haben die Taten der Nazis verurteilt und die Täter allesamt verfolgt.«
»Wie rechtfertigen Sie dann das Projekt Paperclip?« Der Gefangene runzelte die Stirn.
»Ihr Geheimdienst rekrutierte NaziWissenschaftler, bot ihnen Asyl und eine neue Identität, falls sie sich bereit erklärten, bei bestimmten Geheimprojekten mitzuwirken. Und es waren auch nicht nur deutsche Wissenschaftler. 1995 gab Ihre Regierung zu, das Gleiche mit japanischen Kriegsgefangenen gemacht zu haben, mit denen, die ihrerseits an Menschenexperimenten mit amerikanischen Soldaten beteiligt waren.«
Inzwischen war alle Farbe aus Pikes Gesicht gewichen. Er starrte den InuitJungen an und langsam begann er die Wahrheit zu begreifen. Es war immer schmerzhaft, die Unschuld auf so brutale Weise zu verlieren. »Das ist lange her«, murmelte er und versuchte immer noch zu rechtfertigen, was er nicht akzeptieren konnte. »Zweiter Weltkrieg.«
»Genau.« Viktor hob die Hände. »Was glauben Sie denn, wann die Basis hier erbaut wurde?«
Pike schüttelte nur den Kopf.
»Und machen Sie sich nicht vor, solche Geheimexperimente wären Schnee von gestern. Es gibt gut dokumentierte Quellen, nach denen CIA und Verteidigungsministerium in den fünfziger und sechziger Jahren biologische und chemische Substanzen über amerikanische Großstädte haben spritzen lassen. Man hat mit Gelbfieber infizierte Moskitos über Städte in Georgia und Florida
verbreitet und die unwissenden Opfer dann von Armeewissenschaftlern untersuchen lassen, die sich als staatliche Gesundheitsbeamte ausgaben. Die Liste ist endlos: LSD-Experimente, Strahlentests, Entwicklung von Nervengas, biologische Forschung. Es passiert noch heute
auf Ihrem Hinterhof … mit Ihren eigenen Leuten. Überrascht es Sie immer noch, was hier passiert ist?« Der Gefangene wusste keine Antwort. Er starrte Viktor und das Kind an. Ob er zitterte, weil er vor kurzem fast im Arktischen Ozean ertrunken war oder weil er die Wahrheit über das erfahren hatte, was hier vorgefallen war, spielte eigentlich keine Rolle.
Viktors Stimme wurde tiefer. »Und Sie erlauben sich ein Urteil über meinen Vater. Über jemanden, der mit vorgehaltener Waffe in die Armee gezwungen und von seiner Familie weggerissen wurde …« Viktor musste Wut und Galle hinunterschlucken. Es hatte ihn Jahre gekostet, bis er seinem Vater vergeben hatte – nicht etwa wegen der in der Station begangenen Abscheulichkeiten, sondern weil er seine Familie verlassen hatte.
Erst viel später hatte er es verstanden. Er konnte von dem Mann, der da vor ihm saß, nicht das Gleiche erwarten. Er wusste eigentlich nicht mal, warum er es versuchte. Wollte er immer noch rechtfertigen, was hier geschehen war? Hatte er seinem Vater wirklich vergeben? Er sah dem Jungen ins Gesicht. Dann winkte er der Wache, deutete auf den Amerikaner und befahl mit müder Stimme: »Bringt ihn weg, ich habe keine

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