Mission Arktis
kein Dummkopf«, antwortete Craig. »Er sprengt lieber alles in die Luft, als uns die Station zu überlassen. Bevor wir blind da reinstürmen, brauchen wir mehr Erkenntnisse.«
Jenny stimmte ihm in Gedanken zu. Erkenntnisse waren hier eindeutig Mangelware. Sie starrte auf das offene Buch, das oben auf den beiden anderen lag. Die gestohlenen Aufzeichnungshefte. Sie blickte auf die Reihen von Symbolen, und ihre Augen fielen auf die Überschrift:
Sie beugte sich vor und nahm das Buch in die Hand. Craig betrachtete sie mit gerunzelter Stirn. Sie fuhr mit einem Finger über die Zeilen und sagte: »Das letzte Wort ist Grendel. «
Craig fuhr auf seinem Stuhl herum. »Sie können den Kode lesen?«
Jenny schüttelte den Kopf. »Nein. Das Ganze ergibt für mich überhaupt keinen Sinn.« Sie drehte sich um und zeigte ihrem Vater das Heft.
Aber auch er antwortete kopfschüttelnd: »Verstehe ich nicht.«
»Ich auch nicht«, sagte Jenny und blätterte in dem Buch. »Das ist alles in Inuktikut geschrieben – oder jedenfalls in der InuitSchrift. Aber nicht in der InuitSprache. Das letzte Wort, Grendel , kann ich nur lesen, weil es ein Name ist, phonetisch mit den InuitSymbolen geschrieben.«
Neugierig stellte Craig sich neben sie. »Phonetisch?«
Sie nickte.
»Können Sie die erste Zeile vorlesen? Wie es sich anhören würde, wenn man es ausspricht.«
Achselzuckend meinte Jenny: »Ich kann es gern versuchen.« Sie fuhr mit dem Finger über die Überschrift und las sie langsam und stockend vor: »›Ii-stor-iija-ledjan-noj-stan-zie Grendel.‹«
Craig richtete sich auf und spitzte die Ohren. »Das ist Russisch! Sie sprechen Russisch.« Er wiederholte Jennys Worte noch einmal deutlicher. »Istorija ledjanoi stanzii Grendel. Das heißt: ›Die Geschichte der Eisstation Grendel.‹«
Jenny starrte ihn mit großen Augen an.
Craig schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Natürlich konnte der Mann, der die Station leitete, Inuktitut! Sie waren ja seine Versuchspersonen. Er musste mit ihnen kommunizieren. Deshalb benutzte er ihren Symbolkode, um seine russischen Notizen aufzuzeichnen.« Er wandte sich an Jenny. »Sie müssen die Bücher für mich übersetzen.«
»Alle?«, fragte sie erschrocken.
»Nur die Schlüsselstellen. Ich muss wissen, ob wir die richtigen haben.«
Amanda war der Diskussion aufmerksam gefolgt. »Um die Forschungsdaten sicherzustellen.«
Craig nickte, hörte sie aber kaum, während er auf das Buch in Jennys Händen hinabblickte.
Jenny, die nach den vergangenen Ereignissen ohnehin nervös war, warf Amanda einen fragenden Blick zu, denn sie war nicht sicher, ob sie verstand, was hier vorging. Über Craigs Schulter hinweg formte sie mit den Lippen lautlos die Worte: Vertrauen Sie ihm?
Amanda erwiderte ihren Blick und schüttelte dann fast unmerklich den Kopf.
Nein.
18:35 Uhr
Eisstation Grendel
Viktor Petkow genoss den Ausdruck der Überraschung auf dem Gesicht seines Gefangenen. Er war es so leid, dass die Amerikaner ihre eigene Vergangenheit ganz unbekümmert ignorierten, während sie die gleichen Dinge bei anderen Regierungen anprangerten. Ihre Heuchelei machte ihn krank.
»Unsinn! Das ist auf gar keinen Fall eine amerikanische Basis«, beharrte der Mann. »Ich bin überall gewesen und alles ist russisch beschriftet.«
»Das liegt daran, dass die Entdeckung hier in der Arktis unsere eigene war, Mr Pike. Die russische Regierung weigerte sich, den Amerikanern zu erlauben, dass sie das stehlen, was wir gefunden haben. Dass sie einfach die Lorbeeren einheimsen.« Er wedelte mit der Hand. »Aber wir haben den Vereinigten Staaten erlaubt, die Forschungsarbeit finanziell zu unterstützen und zu überwachen.«
»Es war also ein gemeinsames Projekt?«
Ein Nicken.
»Wir haben die Kohle zur Verfügung gestellt und ihr habt sie ausgegeben?«
»Ihre Regierung hat mehr beigesteuert als nur Geld.«
Viktor zog den kleinen Jungen auf seine Knie. Schläfrig lehnte sich der Kleine an ihn und suchte Trost in dem, was ihm vertraut war. Viktor starrte sein Gegenüber an.
»Die Amerikaner haben die Versuchspersonen zur Verfügung gestellt.«
Ein Ausdruck des Entsetzens breitete sich über das Gesicht des Mannes aus, als ihm allmählich die Wahrheit dämmerte. Er sah den Jungen auf Viktors Schoß an.
»Unmöglich! So etwas würden wir niemals tun! Das widerspricht allem, wofür die Vereinigten Staaten sich stark machen.«
Aber Viktor belehrte ihn: »1936 wurde eine Eliteeinheit der amerikanischen Armee in der
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