Mission Arktis
Führung gegangen sein.
Aber würde das ausreichen?
Jetzt war die Cessna nur ein Fleck hinter ihnen, aber Jenny sah, dass sie bereits kehrtmachte.
Rasch nahm sie eine Kurskorrektur vor, weg von der Felswand und zu einem breiten Tal, das sich zu den niedrigeren Hügeln hinunterzog. Das Alatna Valley. Bald waren sie über dem Fluss, der aus dem Gebirge nach Süden floss. Sie flogen geradeaus und ließen den Alatna River hinter sich.
»Wohin willst du eigentlich?«, fragte Matt und spähte nach hinten. »Jetzt fliegen wir plötzlich nach Westen, dabei dachte ich, du peilst Prudhoe Bay an.«
»Tu ich doch auch.«
»Warum fliegen wir dann nicht den Alatna hinauf nach Norden und über den Antigun Pass?« Er deutete zurück zum Fluss. »Das ist immer noch der sicherste Weg durch die Berge.«
»Bis dahin würden wir es niemals schaffen. Unterwegs würde die Cessna uns wieder einholen. Nach dem Antigun Pass gibt es nur noch offene Tundra. Da würden sie uns kriegen.«
»Aber …?«
Sie funkelte ihn an. »Möchtest du vielleicht selber fliegen?«
Beschwichtigend hob er die Hand. »Nein, Babe. Das hier ist ganz und gar dein Spiel.«
Jenny umfasste das Steuer fester. Babe! Sie musste sich beherrschen, um ihrem Exmann nicht den Ellbogen ins Gesicht zu rammen. Matt konnte fliegen, sie hatte es ihm selbst beigebracht, aber er war niemand, der ein Risiko einging. In gewisser Hinsicht war er als Pilot zu vorsichtig, um jemals ein richtiger Künstler zu werden. Manchmal musste man sich eben dem Wind überlassen, einfach der Maschine und der Kraft der Luftströmung vertrauen. Genau das brachte Matt aber nicht fertig. Stattdessen kämpfte er ständig und versuchte, jeden Aspekt zu kontrollieren. Als wollte er ein Pferd zureiten.
»Warum machst du dich nicht nützlich?«, sagte sie. »Du könntest versuchen, das Funkgerät in Gang zu bringen. Wir müssen jemanden benachrichtigen, was hier abgeht.«
Matt nickte und setzte sich Kopfhörer und Mikro auf. Dann stellte er SATCOM ein, um ihr Signal von einem über dem Pol kreisenden Kommunikationssatelliten abprallen zu lassen, die einzige Möglichkeit, hier in den Bergen zu kommunizieren. »Ich kriege bloß Statik.«
Ihr Stirnrunzeln vertiefte sich. »Das sind wieder die Sonnenstürme. Geh auf Funk. Kanal elf. Versuch, Bettles zu erreichen. Da empfängt uns vielleicht noch jemand. Die Signale kommen und gehen.«
Er tat wie geheißen. Mit knappen Worten gab er ihren Standort und ihren Kurs durch und wiederholte das Ganze gleich noch mal. Aber allem Anschein nach reagierte niemand.
»Wohin fliegen wir?«, fragte jetzt auch Craig mit zittriger Stimme. Er starrte aus dem zerbrochenen Seitenfenster auf die vorbeifliegenden Wiesen und Wälder weit unter ihnen. Jenny konnte sich seine Angst nur zu gut vorstellen. Schließlich war er erst vor ein paar Tagen schon einmal abgestürzt.
»Kennen Sie sich hier aus?«, antwortete sie mit einer Gegenfrage und zog damit seine Aufmerksamkeit auf sich.
Er schüttelte den Kopf.
»Wenn wir unsere Verfolger abhängen wollen, dann brauchen wir Deckung. Hier sind wir zu exponiert.«
Matt hörte mit, sah erst sie und dann ihren Kurs an. Auf einmal schien ihm zu dämmern, was sie vorhatte. »Das ist nicht dein Ernst, oder?«
Ihr Vater, der das Ziel ebenfalls erraten hatte, sagte nur ein einziges Wort: »Arrigetch.«
»Herr des Himmels!«, hauchte Matt und zog seinen Sicherheitsgurt enger. »Du hast aber Fallschirme hier drin, oder?«
15:17 Uhr
Auf der polaren Eiskappe
Amanda Reynolds flog über das Eis. Für diese Art der Fortbewegung gab es keinen anderen Ausdruck. Obwohl man das, was sie tat, eigentlich Eissegeln nannte, brachte diese Bezeichnung die tatsächliche Erfahrung keineswegs auf den Punkt.
Der Wind füllte ihr Dreieinhalbmetersegel, das sich in leuchtendem Blau vor ihr bauschte. Zusammengekauert, aber bequem, saß sie in dem Fiberglassitz und bediente mit den Füßen die beiden Pedale. Eine Hand hielt sie auf der Kurbel der Klüverleine. Unter ihr raste das Boot in atemberaubendem Tempo über das Eis und durchschnitt mühelos die gefrorenen Schneewellen.
Trotz der hohen Geschwindigkeit blickte sie aufmerksam um sich. Nirgends war es so leer und öde wie hier, eine gefrorene Wüste, noch gewaltiger und abweisender als die Sahara. Doch gleichzeitig hatte die Gegend eine seltsame spirituelle Schönheit an sich: der ständige Wind, der Tanz des aufgewirbelten Schnees, die subtilen Farbschattierungen im Eis. Sogar die zerklüfteten Spitzen der
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