Mission Arktis
sie die Anspielung auf das Monster der BeowulfLegende erkannte, aber dieses Wissen half ihr nicht, den Namen als solchen besser zu verstehen.
Mit einem Kopfschütteln wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder der Tür zu. Sie musste sich durchzwängen, denn das Eis bildete sich um die Angeln und Ränder der Tür beständig neu. Stahl und Eis knackten, als sie über die Schwelle stolperte.
Ein Stück weiter kniete ein junger Wissenschaftler neben einem offenen Elektrokasten und blickte zu ihr auf. Es war Lee Bentley, ein Forscher von der NASA, Spezialist für Materialwissenschaft. Er trug nur Jeans und T-Shirt.
War es in der Basis wirklich so warm?
Als er Amanda sah, warf der junge Mann in gespieltem Schrecken die Arme in die Luft: »Bitte nicht schießen!«
Amanda verzog das Gesicht, dann fiel ihr ein, wie seltsam sie mit ihrer Propylenmaske aussehen musste. Rasch nahm sie das Ding ab und schnallte es an ihrem Gürtel fest.
»Willkommen in der Eissauna Grendel«, kicherte Lee und stand auf. Er war klein, lediglich einen Meter zweiundfünfzig. Einmal hatte er erzählt, dass er eigentlich immer Astronaut hatte werden wollen, aber ihm fünf Zentimeter der erforderlichen Größe fehlten – daher sein Arbeitsplatz im NASA-Labor. Er war hierher gekommen, um neue Verbundstoffe unter den extremen Temperaturen und Wetterbedingungen der Arktis zu testen.
Amanda ging zu ihm und streifte die Kapuze ab. »Ich kann gar nicht glauben, wie heiß es hier ist.«
Lee deutete auf eine Ansammlung von Werkzeugen auf dem Metallgitterboden. »Daran arbeite ich ja gerade. Alle beschweren sich wegen der Hitze. Wir haben ein paar Luftpumpen mitgebracht, um für eine bessere Zirkulation zu sorgen, aber dann dachten wir, dass es besser wäre, das Problem mit dem Thermostat zu regeln, weil uns sonst noch die ganze Station wegschmilzt.«
Amanda machte große Augen. »Besteht diese Gefahr tatsächlich?«
Wieder lachte Lee leise und klopfte auf die Stahlwände. »Nein. Hinter der physikalischen Struktur der Station befindet sich ein Meter Isolierung. Wir könnten die ganze Station in einen Backofen verwandeln und würden das Eis dahinter trotzdem nicht groß beeinflussen.« Er warf einen anerkennenden Blick in die Runde. »Wer das hier entworfen und konstruiert hat, wusste, was er tut. Die Isolierung besteht aus miteinander verbundenen Schichten von asbestimprägniertem Zement und Schwammblöcken. Das strukturelle Skelett ist eine Kombination aus Stahl, Aluminium und groben KeramikVerbundstoffen. Leicht, strapazierfähig und seiner Zeit um Jahrzehnte voraus. Ich würde sagen …«
Aber Amanda unterbrach ihn. Das war typisch für ihre Wissenschaftskollegen. Wenn sie erst einmal anfingen, über ihr Spezialgebiet zu plaudern, kannten sie kein Halten mehr. Und es war anstrengend, von ihren Lippen abzulesen, wenn sie in ihren Fachjargon verfielen. »Lee, ich bin mit Dr. Ogden verabredet. Haben Sie eine Ahnung, wo er sein könnte?«
»Henry?« Der junge Mann kratzte sich mit einem Schraubenzieher am Kopf. »Kann ich nicht mit Sicherheit sagen, aber ich würde es mal im Kriechkeller versuchen. Er und das Geologenteam sind heute früh gewaltig aneinander geraten. Man konnte das Geschrei noch hier oben hören.«
Amanda nickte und ging weiter. Die Basis bestand aus fünf kreisförmigen Ebenen, die mit einer schmalen Wendeltreppe im Zentrum der Anlage verbunden waren. Jede Ebene hatte in etwa den gleichen Lageplan: ein zentraler Gemeinschaftsraum, von dem die anderen Räume ringförmig abzweigten. Aber jede Ebene war kleiner als die darüber liegende, wie ein riesiger, ins Eis gebohrter Brummkreisel.
Die oberste Ebene war mit einem Durchmesser von fünfzig Metern die geräumigste. Hier befanden sich die Quartiere: Schlafräume, Küche, ein paar Büros. Amanda eilte den Korridor entlang und betrat den zentralen Bereich dieser Ebene. Tische und Stühle deuteten darauf hin, dass es einmal der Speise- und Sitzungssaal gewesen war.
Amanda winkte zwei Wissenschaftlern zu, die an einem der Tische saßen, und ging dann hinüber zur Treppe. Die Stufen wanden sich um einen drei Meter weiten offenen Schaft herum, durch den schwere geölte Kabel in die Tiefe führten. Sie endeten an einem groben Gitterkäfig, eher einem Lasten- als einem Personenaufzug, den man benutzte, um Material von einer Ebene zur anderen zu transportieren.
Als Amanda die Treppe betrat, vibrierten die Metallstufen unter ihren Füßen im Rhythmus der tuckernden Generatoren und brummenden Maschinen
Weitere Kostenlose Bücher