Mission Arktis
der Kapitän ahnte garantiert, dass noch mehr dahintersteckte. Er hatte die Ausrüstung und die Waffen gesehen, die in Seweromorsk an Bord gebracht worden waren. Und er wusste sicher auch von der chiffrierten Nachricht vom FSB, wenn er nicht sogar deren Inhalt kannte.
»Diese Unterwasserapparate dienen nicht irgendwelchen militärischen Zwecken?«, hakte er weiter nach. »Beispielsweise die Amerikaner zu belauschen?«
Aber Viktor warf ihm nur einen kurzen Blick zu und zuckte die Achseln. Er ließ bewusst zu, dass der Kapitän sein Schweigen falsch interpretierte. Manchmal war es am besten, wenn man den anderen die offensichtlichsten Schlüsse ziehen ließ.
»Ah …«, nickte Mikowsky und betrachtete die Kugel mit mehr Respekt, in dem sicheren Glauben, ihr Geheimnis durchschaut zu haben.
Währenddessen wandte Viktor seine Aufmerksamkeit wieder den Monitoren zu. Im Lauf der Jahre würde der junge Kapitän vielleicht lernen, dass die Spiele der Mächtigen noch auf ganz anderen Ebenen gespielt wurden.
Vor zehn Jahren hatte Viktor ein handverlesenes Team von Wissenschaftlern aus dem Arktischen und Antarktischen Forschungsinstitut angestellt und das Geheimprojekt außerhalb des Marinestützpunkts in Seweromorsk begonnen. Solche Vorhaben waren keine Seltenheit. Viele polare Forschungsprojekte fanden außerhalb von Seweromorsk statt. Ungewöhnlich an diesem Projekt, das den Namen Schockwelle trug, war lediglich, dass es unter der Supervision des damaligen Kapitäns Viktor Petkow stand. Die Forscher waren ihm direkt unterstellt. Und im Hinterland der nördlichen Küstenregion, weit weg von neugierigen Blicken, war es leicht, ein Projekt unter vielen anderen zu verstecken. Niemand stellte Fragen, nicht einmal, als die sechs Wissenschaftler, die sich mit dem Projekt befassten, samt und sonders bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kamen. Mit ihrem Tod war vor zwei Jahren auch das Projekt Schockwelle gestorben.
Jedenfalls dem äußeren Anschein nach.
Außer Viktor wusste niemand, dass die Forschungsarbeiten bereits abgeschlossen waren. Jetzt beobachtete er, wie die Taucher sich von der Titankugel zurückzogen.
Alles hatte im Jahr 1979 mit einem einfachen Forschungsbericht angefangen, der Kohlendioxid mit der allmählichen globalen Erwärmung in Zusammenhang brachte. Die Angst vor dem Abschmelzen der Polkappen führte zu gruseligen Szenarios von steigenden Meeresspiegeln und einer verheerenden weltweiten Flut. Natürlich war das Arktische und Antarktische Forschungsinstitut in Sankt Petersburg für Russland die zentrale Stelle zur Erforschung solcher Gefahren. Es erstellte eine der größten Datenbanken der Welt über das globale Eis. Schließlich gelangte man zu der Erkenntnis, dass das Schmelzen der Eiskappe auf Grönland und auf dem antarktischen Kontinent die Ozeane der Welt möglicherweise um dramatische sechzig Meter ansteigen lassen würde, während von der Eiskappe des Nordpols kein solches Risiko ausging, da dieses Eis ja bereits auf einem Ozean schwamm. Wenn es schmolz, würde es auch nicht mehr Wasser verdrängen als jetzt. Wie ein Eiswürfel beim Schmelzen in einem vollen Glas Wasser dieses nicht zum Überlaufen bringt, so würde auch das Schmelzen der Polkappe nicht zu einem Anstieg der Weltmeere führen. Eine solche Bedrohung existierte nicht.
Doch im Jahr 1989 fand ein Forscher des Forschungsinstituts heraus, dass eine viel schlimmere Gefahr drohte, wenn die Polkappe auf einmal von der Spitze der Welt verschwinden sollte: Sie würde nicht mehr als Isolation für den Arktischen Ozean dienen. Ohne seine Fähigkeit zur Reflexion der Sonnenstrahlen würde der Ozean schneller verdunsten, wodurch riesige Mengen Wasser in die Atmosphäre gelangten, was wiederum zu einem massiven Anstieg der Niederschlagsmenge in Form von Regen, Schnee und Schneeregen führen würde. Der Forschungsbericht kam zu dem Schluss, dass eine solche Veränderung des Weltklimas katastrophale Folgen für Wettersysteme und Meeresströmungen haben würde. Die Folge wären Überschwemmungen, die Zerstörung von Ackerland, der Verfall von Ökosystemen und ein weltweiter Kollaps der Umwelt. Ganze Nationen würden zugrunde gehen, die Weltwirtschaft würde zusammenbrechen.
Die harte Wirklichkeit dieser Vorhersage zeigte sich 1997 bei einer simplen Veränderung in den Strömungen des Pazifischen Ozeans, bekannt als El Niño. Den US- Behörden zufolge betrugen die Kosten der Katastrophe weltweit über 90 Milliarden Dollar; fünfzigtausend Todesopfer
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