Mission Arktis
Matt hinüber und ihre Blicke trafen sich. Während seiner Ehe mit Jenny war Matt seinem Schwiegervater so nahe gekommen wie einem Bruder. Regelmäßig waren sie zusammen zum Zelten, Jagen oder Fischen losgezogen. Aber nach dem Tod seines einzigen Enkels hatte sich der ältere Mann genau wie Jenny verhärtet und war auf Distanz zu Matt gegangen.
Unmittelbar nach Tylers Tod hatte Matt nicht das Gefühl gehabt, dass sein Schwiegervater ihm Vorwürfe machte. Besser als jeder andere kannte John die harten Bedingungen des Backcountry von Alaska, er wusste, wie leicht man in Lebensgefahr geraten konnte. John war in einem kleinen Dorf am Kotzebue Sound nahe der Beringstraße aufgewachsen. Sein voller Inuitname lautete Junaquaat, was zu John abgekürzt worden war, als er weiter ins Landesinnere zog. Sein Heimatdorf war der Hungersnot von 1975 anheim gefallen und innerhalb eines einzigen Winters ausgestorben. John hatte seine gesamte Verwandtschaft verloren – und dieses Schicksal war durchaus nicht ungewöhnlich bei den Inuit. Im eisigen Norden waren die Ressourcen immer knapp, das Überleben stand oft auf Messers Schneide.
Aber obwohl John seinem Schwiegersohn nicht die Schuld daran gab, dass sein Enkel ertrunken war, hatte er in der darauf folgenden Zeit doch einen beträchtlichen Groll auf ihn entwickelt, denn Schuld und Trauer hatten Matts Beziehung zu Jenny zunehmend beeinträchtigt. Matt hatte sich in den Alkohol geflüchtet und seine Frau nicht mehr an sich herangelassen, weil er unfähig war, den Vorwurf in ihren Augen zu ertragen, ihre verzweifelten Anklagen. In dieser Zeit hatten Jenny und Matt Dinge zueinander gesagt, die sie nicht mehr rückgängig machen konnten, und schließlich war das Maß voll gewesen. Tief verletzt, hoffnungslos und ungeheilt waren sie auseinander gegangen.
Jetzt legte John eine Hand auf Matts Schulter und drückte sie leicht. In dieser Geste fand Matt ein wenig Frieden und fühlte sich akzeptiert. Nicht nur den Tod hatten die Inuit zu überleben gelernt, sondern auch die Trauer. John klopfte ihm noch einmal leicht auf den Rücken und lehnte sich dann wieder zurück.
Unverwandt starrte Matt in den eisigen Glanz des Morgens und fühlte sich dabei so unsicher wie seit Jahren nicht mehr. Es war ein beunruhigendes Gefühl, so als wäre etwas Schweres in ihm verrutscht und brächte sein mühsam erreichtes inneres Gleichgewicht erneut durcheinander.
Jenny checkte Kurs und Geschwindigkeit und meinte: »In einer halben Stunde müssten wir auf den Koordinaten ankommen, die Craig uns gegeben hat.«
Ohne den Blick vom Sonnenaufgang abzuwenden, erwiderte Matt: »Sollen wir die Basis anfunken und Bescheid sagen, dass wir kommen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Solange wir nicht genau wissen, was dort vorgeht, ist es besser, je weniger Vorwarnung sie haben. Außerdem ist der Funkverkehr immer noch ziemlich chaotisch.«
Unterwegs hatten sie immer wieder einen Schwall von Kommunikation über den offenen Kanal empfangen. Die Nachricht von den Explosionen in Prudhoe Bay hatte sich verbreitet wie ein Lauffeuer. Genau wie Craig es prophezeit hatte, herrschte bei den Nachrichtenagenturen ein Riesenwirbel, und es kursierten die wildesten Spekulationen.
Mürrisch richtete Craig sich auf. »Wenn wir einfach reinplatzen, wie sollen wir dann unser plötzliches Auftauchen erklären? Sollen wir einfach da reinstürmen? Als wären wir alle von der Polizei, oder was? Enthüllungsjournalisten? Flüchtlinge, die Asyl suchen?«
»Reinstürmen ist nicht. Das können Sie getrost vergessen«, antwortete Jenny. »Hier oben sind wir außerhalb meines Zuständigkeitsbereichs. Ich würde vorschlagen, wir erklären, was wir wissen, und warnen die Verantwortlichen. Wer immer uns angegriffen hat, ist uns womöglich schon dicht auf den Fersen.«
Nachdenklich betrachtete Craig den leeren Himmel, als suchte er dort Spuren ihrer Verfolger. »Kann man uns in der Station beschützen?«
Jetzt mischte Matt sich ein. »Sie wissen mehr über Omega als wir alle, schließlich sind Sie ja Reporter. Was für ein NavyKontingent ist beispielsweise dort stationiert?«
Aber Craig schüttelte abwehrend den Kopf. »Man hat mir keine Einzelheiten über meinen Zielort verraten … man hat mir nur gesagt, ich soll meine Sachen packen, und dann hat man mich in die erste Maschine der Alaskan Airlines geschubst, die von Seattle gestartet ist.«
Matt runzelte die Stirn. Zumindest musste es ein U- Boot samt Crew geben. In der Forschungsstation selbst waren
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