Mission auf Leben und Tod
verlassenen Parkplatz zurück. Auf den Piers brannte Licht, aber noch war niemand zu sehen, der sich zum Auslaufen vorbereitet hätte.
Mack öffnete den Kofferraum, holte den Werkzeugkoffer und die Ledertasche heraus und stellte sie in den Schatten an der Mauer. Mit dem Schraubenzieher entfernte er das vordere Kennzeichen.
Als er auf der Beifahrerseite nach hinten ging, fiel ihm plötzlich auf, dass hinter der Windschutzscheibe unten links in einer transparenten Plastikhülle noch die scheibenförmige Steuermarke steckte. »Scheiße«, murmelte er. Auf der Steuermarke war das Kennzeichen eingetragen. Er griff nach dem Autoschlüssel, öffnete die Tür, riss die gesamte Plastikhülle von der Scheibe und steckte sie sich in die Hosentasche.
Dann ging er zum Heck und schraubte auch das hintere Kennzeichen ab, worauf er beide Nummernschilder wie Frisbeescheiben mitten in die zwölf Meter tiefen Hafengewässer schnellen ließ. Er nahm die Steuermarke aus der Plastikhülle, riss das rote Papier in tausend Fetzen und warf jeweils die Hälfte davon in zwei Mülleimer.
Es war neun Uhr, als er den Werkzeugkasten und die Ledertasche aufnahm und auf die verlassene Pier ging. Der Hafenmeister hielt sich, wie er sehen konnte, nicht in seinem Büro auf. Er kam an niemandem vorbei, als er zur vertäuten Eagle schlenderte.
Der Trawler lag nah an der Pier, keine eineinhalb Meter entfernt. Er warf die Tasche aufs Deck, sprang mit dem Werkzeugkasten in der Hand hinüber und eilte sofort zum Rettungsboot, einem Zodiac-Schlauchboot mit Außenborder, das an der Steuerbordseite an einem Davit befestigt war. Er schob den Werkzeugkasten und die Tasche unter die Plane und zwängte sich selbst hinein, wobei er darauf achten musste, dass seine schwarze Perücke nicht verrutschte.
Und hier in der Finsternis des Sonntagabends wartete er. Es war fast halb zehn, als Leben auf den Piers einkehrte. Mack hörte die Fischer, die sich über das Wetter unterhielten und mit dem Hafenmeister sprachen.
Die See wird rauer – da zieht was Ungemütliches auf.
Die Vorhersage ist nicht so schlecht – das Barometer fällt, soll aber nicht so schlimm werden.
Im Süden wird’s vielleicht heftiger – aber es soll zu den Kanalinseln abziehen.
Ist vielleicht gar nicht so schlecht – dann stehlen uns die verdammten Spanier wenigstens nicht den Kabeljau.
’n Abend, Fred. Du lässt dich nicht abschrecken?
Ich doch nicht! Ich war schon bei schlimmerem Wetter draußen. Und ich brauch das Geld! Bereit, Tom?
Mack hörte zwei Männer an Bord kommen. Fred Carter und seinen Ersten Maat Tom, der nach der Stimme zu urteilen sehr viel jünger sein musste. Sie überprüften die Ausrüstung, dann erzitterte das Boot unter dem Rumpeln der beiden Dieselmaschinen.
Das Ruderhaus lag vorn erhöht über den Aufbauen, die Maschinen befanden sich unter Deck am Heck. Mack hörte eine Tür zuschlagen und nahm an, dass Fred sich ans Steuer begeben hatte, während Tom die Leinen löste. Gleich darauf hörte er den Hafenmeister von der Pier her rufen: »Heckleine kommt«, dann knallte sie schon aufs Deck.
»Okay, Teddy, ich hab sie«, rief Tom, und erneut hörte Mack eine Leine, die diesmal allerdings auf dem Vordeck aufschlug. Das Boot erzitterte leicht, als Fred Carter Gas gab und das Ruder hart nach Backbord drehte. Die Eagle neigte sich nach links, bevor sie sich wieder aufrichtete und geradeaus forttuckerte.
Trotz des aufkommenden Windes waren die Hafengewässer spiegelglatt. Langsam schob sich der Trawler zwischen den anderen Booten hindurch, bevor er einige Grad nach Steuerbord abdrehte und direkt auf die Inlandsgewässer der südlichen Devonküste zuhielt.
Draußen herrschte Finsternis. Das Leuchtfeuer auf Berry Head musste direkt vor ihnen liegen. Mack spürte die Dünung des Meers, als sie in den Ärmelkanal hinausfuhren, hin zu der Schlechtwetterfront und, wie Fred hoffte, den großen Kabeljau- oder Makrelenschwärmen.
Er hatte nicht mehr die Tür des Ruderhauses schlagen hören und wusste daher nicht, ob Tom bei Fred war. Auf einem Schleppnetzfischer dieser Größe gab es immer unzählige Dinge zu erledigen, bis die Netze zu Wasser gebracht werden konnten. Es war fast 20 Minuten nach zehn, als die Dünung merklich zunahm. Die Eagle hob sich und begann zu schlingern, bevor sie ins nächste Wellental tauchte.
Er riskierte einen Blick ins Freie und war sich nur allzu bewusst, dass er dabei Gefahr lief, Tom, dem Maat, direkt in die Augen zu schauen. Dann hätte er
Weitere Kostenlose Bücher