Mission auf Leben und Tod
Westufer des Euphrat südlich der alten mesopotamischen Stadt Hit. Laut der Navy waren die gepanzerten Fahrzeuge der SEALs von Aufständischen am anderen Flussufer mit Raketen beschossen worden. Die SEALs bereiteten sich darauf vor, das Feuer zu erwidern, laut dem arabischen Fernsehsender Al-Dschasira allerdings ergaben sich die Iraker und kamen mit erhobenen Händen über die Brücke.
In diesem Moment eröffneten laut Al-Dschasira die SEALs das Feuer und töteten sämtliche unbewaffneten Iraker. Mehrere Zeugen aus dem Beduinendorf Abu Hallah bestätigten diesen Bericht. Ein Sprecher des irakischen Parlaments ließ verlauten, dass der Premierminister vom Verhalten der Amerikaner »in höchstem Maße entsetzt« sei.
Über die Verluste des SEAL-Konvois liegen bislang keinerlei Angaben vor, ebenfalls weigert sich die Navy entschieden, die Namen der daran beteiligten SEALs bekannt zu geben, was auch auf die Identität des Offiziers zutrifft, der diesen Monat in San Diego sein Gerichtsverfahren erwartet.
Vergangenen Abend wurden Gerüchte laut, dass das SEAL-Team vom gegenüberliegenden Euphratufer schwer unter Beschuss genommen worden sei und heftige Verluste erlitten habe. Eine militärische Quelle, die anonym bleiben möchte, bestätigte, dass bei der Auseinandersetzung mindestens vier US-Panzer beschädigt wurden. Den Al-Dschasira-Bericht bezeichnete er als gefährlich einseitig, sodass er nach eingehender Untersuchung vor Gericht kaum Bestand haben werde. Ein Sprecher des Presse- und Informationszentrums der SEALs, Lieutenant Dan Rowe, erklärte, dass angesichts des schwebenden Verfahrens nichts weiter bestätigt werden könne.
Wird die Identität des SEAL-Befehlshabers offengelegt werden? »Das ist unwahrscheinlich«, sagte er. »Es sei denn, der SEAL-Offizier wird wegen Mordes verurteilt. Aber das ist noch nie vorgekommen. Nicht, wenn sich ein Vorfall wie dieser unter Feindberührung ereignet hat.«
Der Artikel trug die Handschrift des Chefredakteurs des Telegraph , Geoff Levy, eines ehemaligen Militärreporters in San Diego. Geoff kannte sich sowohl mit dem Militär als auch mit der Justiz aus. Und er wusste, wenn er eine gute Story zu fassen bekam. Dass das sonst so verschwiegene Militär das alles überhaupt preisgegeben hatte, mehrte nur seinen journalistischen Ruhm. Angesichts der Fülle an Informationen und der extrem gesprächigen Seeleute war es eine bemerkenswerte Leistung der Marine, überhaupt etwas unter Verschluss zu halten. Dass Levy aber an eine so bedeutende Information wie Mack Bedfords Militärgerichtsverfahren gelangt war, musste als fantastischer Coup bezeichnet werden.
Nachdem die Telegraph -Ausgabe herauskam, sahen sich die großen Nachrichtensender der USA gezwungen, mit der Zeitung gleichzuziehen – was enorm schwierig war, da die Navy den Artikel weder bestätigen noch dementieren mochte. Die Medien standen damit vor einem Problem. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als den Artikel der Zeitung aus San Diego für bare Münze zu nehmen und die darin gelieferten Informationen aufzugreifen. Oder die Geschichte komplett zu ignorieren. Das Erstere war jedoch mit Gefahren verbunden. Was, wenn die Geschichte nicht stimmte? Was, wenn Geoff Levy falsch lag? Wenn überhaupt kein Militärgerichtsprozess geplant war?
Das alles waren beunruhigende Faktoren, aber bei Weitem beunruhigender war der Gedanke an die Folgen, wenn sie die Geschichte überhaupt nicht brachten. Fox, der 24-Stunden-Nachrichtensender, reagierte als Erster und beschloss, Geoff Levy für ein Interview zu engagieren, natürlich exklusiv und sofort. Darauf ließ sich der Chefredakteur des Telegraph nicht so ohne weiteres ein. Keine Exklusivrechte und ein Honorar von 5000 Dollar, oder sie sollten sich die Mühe sparen und ihn nicht weiter belästigen. Fox zahlte und ließ Geoff Levy im nächsten Nachrichtenblock live auftreten.
Was er sagte, zeugte von hohem journalistischen Können – ganz davon abgesehen, dass er soeben einen Scoop ersten Ranges gelandet hatte. »Seit über zehn Jahren schreibe und recherchiere ich über die US Navy in San Diego. Diese Geschichte wurde mir aus der höchsten Führungsriege anvertraut. Mein Mittelsmann hat sie mir nicht erzählt, weil er sich besondere Publicity für die Navy wünscht – ganz im Gegenteil, das wäre das Letzte, was man bei einem Thema wie diesem will. Nein, er hat sie mir erzählt wegen der Wut, der Empörung, die sich unter der kämpfenden Truppe angestaut hat – den
Weitere Kostenlose Bücher