Mission auf Leben und Tod
dass er mit Commander Al Surprenant befreundet war. Angesichts dessen hatte es den Anschein, als würde die durch Harrison Parr vertretene Anklage kaum eine Chance haben; doch da der Ausgang der Verhandlung von politischen Faktoren abhing, wusste keiner so recht, in welche Richtung das Pendel ausschlagen würde.
Das machte die gesamte Angelegenheit so beunruhigend. Es war, als wäre der Marine die letzte Entscheidung aus der Hand genommen – als wäre das Urteil schon gefällt, bevor der Prozess überhaupt begonnen hatte. War über Mack Bedfords Schicksal bereits entschieden? Das konnte keinem gefallen.
In den letzten beiden Wochen vor Prozessbeginn zogen sich für Mack Bedford die Tage in die Länge. Er blieb für sich. Die Navy gestattete ihm, die Zeit in seinem Offiziersquartier zu verbringen, es war ihm auch überlassen, ob er am Dienst und an den Ausbildungseinheiten des Foxtrot Platoon teilnahm. Stillschweigend waren neue Männer dazugestoßen, die die Gefallenen ersetzten.
Keiner erwähnte die Tragödie; die diensthabenden Petty Officers überwachten die harten Trainingseinheiten, die auf den langen Stränden in Sichtweite des weltberühmten Hotel del Coronado abgehalten wurden. Jeden Tag, fast jeden verdammten Tag hetzten sie in ihren Kampfstiefeln und Shorts über den Strand, suchten im feuchten Sand nach festem Tritt und mühten sich, unter der vorgeschriebenen Zeit zu bleiben. Manchmal machte Mack Bedford mit, lief fast entspannt neben den neuen Jungs her und führte ihnen seine herausragende körperliche Fitness vor sowie eine Entschlossenheit und Disziplin, die ihm schon zu eigen gewesen war, seitdem er zum ersten Mal in seiner Kampfschwimmerausbildung über diesen Strandabschnitt gelaufen war.
Abends traf er sich mit nur wenigen, nicht nur, weil seine engsten Freunde in den Panzern ums Leben gekommen waren, sondern weil er sich isoliert fühlte, solange das Kriegsgerichtsverfahren nicht beendet war. Viel Zeit verbrachte er mit Al Surprenant, endlos brüteten sie über den Karten des westlichen Euphratufers, an dem die SEALs von den Raketen getroffen worden waren.
Jeden Abend schrieb Mack an Anne in Maine, versuchte ihr zu erklären, dass der anstehende Prozess nur eine Formalität sei und er nicht schuldig gesprochen werde. Aber sie müsse auch wissen, dass er der namenlose befehlshabende Offizier war, der in den Zeitungsberichten über das »Massaker« ständig erwähnt wurde. Er sparte sich die Einzelheiten und wies auch nicht darauf hin, dass er der einzige Amerikaner gewesen war, der das Feuer eröffnet hatte. Der Großteil seiner Zeilen beschäftigte sich mit Tommy und der Tatsache, dass sich sein Zustand nicht gebessert hatte.
Annes Neuigkeiten von der Krankenversicherung waren wenig ermutigend. Trotz der Absicherung, die die Navy ihm und den nächsten Familienangehörigen garantierte, zeigte sich die Krankenkasse bislang nicht bereit, die Kosten für die Schweizer Klinik zu übernehmen, die Bedfords einzige Hoffnung war, je mehr Tommys Krankheit fortschritt.
Es fiel Mack schwer, überhaupt etwas zu finden, woran er sich aufrichten konnte. Es verging kein Tag, an dem er nicht mit Problemen konfrontiert wurde – sei es wegen seiner Laufbahn, wegen des Geldes, der Familie. Manchmal, in düsterer Stimmung, beschlich ihn das Gefühl, dass alles Unglück der Welt ungerechterweise über ihn allein hereingebrochen sei. Mit jedem Tag rückte der Prozess, der Augenblick der Wahrheit näher. Würde er nach all den Jahren noch als jemand angesehen werden, der für das US-Militär an vorderster Front stehen durfte?
Fünf Tage nach der Rückkehr aus dem Irak war die Geschichte an den San Diego Telegraph gelangt. Der Name des befehlshabenden Offiziers bei dem Vorfall an der Brücke war nicht erwähnt worden, irgendjemand aber musste das Blatt hervorragend ins Bild gesetzt haben. Der Artikel erstreckte sich auf der Titelseite über vier Spalten, der Titel lautete:
MILITÄRGERICHTSVERFAHREN GEGEN US-NAVY-SEAL-COMMANDER
Er soll verantwortlich sein für den Mord an den kapitulierenden Irakern
Die US Navy bestätigte vergangenen Abend, dass gegen den SEAL-Commander, dessen Männer zwölf Iraker erschossen haben, ein Militärgerichtsverfahren eingeleitet wurde. Der Prozess soll noch diesen Monat im Navy-Gerichtssaal der SPECWARCOM-Basis auf Coronado Island, San Diego, stattfinden. Die Anklage lautet auf vorsätzlichen Mord an unbewaffneten Personen.
Der Vorfall ereignete sich vor drei Wochen am
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