Mission auf Leben und Tod
konnte nur noch Stunden dauern, bis die massierten Reihen des US-Pressekorps auf das Weiße Haus umschwenkten und wissen wollten, ob der Oberbefehlshaber der Streitkräfte das Militärgerichtsverfahren gegen den SEAL-Offizier gutheiße. Sie hatten das Pressebüro des Weißen Hauses bereits darüber in Kenntnis gesetzt, dass es ihnen egal sei, ob sie vom Präsidenten, vom Nationalen Sicherheitsberater, vom Verteidigungsminister oder dem Marinestabschef eine Antwort bekämen. Irgendeiner von ihnen würde genügen. Aber eine Antwort wollten sie.
Doch es kam keine Antwort, von keinem. Die Tage vergingen, bis an einem heiteren kalifornischen Dienstagmorgen Ende Juni im sonnendurchfluteten, klimatisierten Hauptquartier des Navy Trial Service mitten im Herzen der Coronado-Basis das Militärgericht zusammentrat.
Captain Cale »Boomer« Dunning versammelte vor Prozessbeginn sein Gremium in einem Nebenraum. Der Judge Advocate General der Navy, Captain Paul Birmingham, hatte einen eigenen Tisch links des großen geschwungenen Mahagonitisches, an dem das fünfköpfige Richtergremium bei der Verhandlung saß. Hinter dem Stuhl in der Mitte, den Captain Dunning einnehmen würde, standen zwei große, überkreuzte Sternenbanner, dazwischen hing das imposante Emblem der US Navy. Jeweils zwei Ledersessel mit Mahagonirahmen waren an jeder Seite des Tisches platziert.
Zwei Marinewachen schoben bereits am Eingang zum Gerichtssaal Wache. Zwei weitere waren drinnen an jeder Seite der Tür postiert. Vor dem Richtertisch waren zwei weitere große Tische aufgebaut. Der zur Linken war für den Ankläger und seinen Assistenten reserviert; der zur Rechten für Commander Al Surprenant und Lieutenant Commander Mack Bedford. SEAL-Oberbefehlshaber Rear Admiral Andy Carlow und der Oberbefehlshaber der Pazifikflotte, Admiral Bob Gilchrist, nahmen ebenfalls am Verfahren teil. Zwei Gerichtsstenografen dokumentierten die Verhandlungen, Zeugen waren während der Sitzung nicht zugelassen. Sie würden für ihre Aussagen in den Gerichtssaal begleitet, vereidigt und anschließend umgehend nach draußen geführt werden.
Der Prozess begann um neun Uhr. Für ein Militärgerichtsverfahren der Navy war der Saal ziemlich voll, vier Mitglieder des Richtergremiums hatten bereits Platz genommen. Commander Surprenant und der angeklagte Offizier erschienen als Letzte, bevor Captain Dunning Platz nahm und ohne Umschweife das Verfahren eröffnete. »Bitte tragen Sie die Anklage gegen Lieutenant Commander Mackenzie Bedford vor.«
Captain Paul Birmingham richtete sich zu seinen 193 Zentimetern Höhe auf und begann: »Lieutenant Commander Mackenzie Bedford, Foxtrot Platoon, SEAL-Team 10, ist angeklagt, am 29. Mai diesen Jahres in der Republik Irak vorsätzlich zwölf unbewaffnete Einwohner der Stadt Abu Hallah ermordet zu haben …«
Al Surprenant schob seinen Stuhl zurück, sprang auf und rief: »Einspruch!« – was unerhört war in der Geschichte der Militärjustiz der US Navy, nachdem die Anklage noch nicht einmal vollständig vorgetragen und der Ankläger dazu noch kein Wort geäußert hatte; und immerhin war es der oberste Vertreter der Militärgerichtsbarkeit der USA, der hier so rüde unterbrochen wurde.
Paul Birmingham fuhr herum und musterte Al Surprenant, Captain Dunning wirkte verdutzt und wandte sich ratsuchend an Captain Birmingham. Keiner wusste so recht, wie er damit umgehen sollte. Aber das war auch nicht nötig. Denn Al Surprenant erklärte sich sehr schnell und sehr deutlich.
»Captain Dunning, Sir, das Wort ›unbewaffnet‹ ist im Anklagetext nicht zulässig, weil niemand weiß, ob sie bewaffnet gewesen sind oder nicht. Kein Mitglied der US-Streitkräfte oder vom Diplomatischen Dienst hat die Leichen zu Gesicht bekommen. Das Wort ›unbewaffnet‹ beruht daher im besten Fall auf Hörensagen, im schlimmsten Fall auf Unwahrheit. Beides ist nicht akzeptabel. Ich fordere daher, das Wort ›unbewaffnet‹ aus der Anklage zu streichen.«
Captain Dunning wandte sich erneut an Paul Birmingham. »Ihr Ratschlag, bitte.«
Der Judge Advocate General, in einer juristischen Zwickmühle gefangen, erwiderte: »Sir, die Angelegenheit wurde dem Naval Trial Service vorgelegt, der das Wort ›unbewaffnet‹ für statthaft erachtete, bezeichnet es doch den Hauptanklagepunkt der Iraker gegen die USA. Es ist nicht meine Aufgabe, an dieser Stelle den Anklagetext zu ändern, wenngleich ich sehe, dass er Anlass zu Irritationen gibt.«
»Captain Birmingham«, sagte
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