Mission auf Leben und Tod
Soldaten, die an vorderster Front ihr Leben aufs Spiel setzen und denen man dann sagt, sie wären so etwas wie Mörder, weil sie ihren Feind angreifen und töten. In all den Jahren ist mir nie ein solches Ausmaß an Empörung innerhalb der Navy entgegengeschlagen. Das gilt besonders für die SEALs, die alles geben, aber nichts zu sagen haben.«
Die Interviewerin war eine strahlende blonde Schönheit Ende 20, die eher wie die nächste Miss California aussah als wie die nächste Reporterin des Jahres. »Aber Geoff«, sagte sie, »der Mann gehört doch vors Militärgericht, wenn er unschuldige Zivilisten erschossen hat. Das nennt man Mord, oder nicht?«
Levy gab das Seufzen des wahrhaft Verzweifelten von sich. »Ma’am«, sagte er, »stellen Sie sich folgende Lage vor. Wir sind in einem feindlichen Wüstengebiet, die Temperaturen betragen 40 Grad. Wir sind 15 000 Kilometer von zu Hause entfernt. Wir haben vier brennende Panzer, Männer, amerikanische Soldaten, Ehemänner, Söhne und Freunde sind entweder tot oder verbrennen gerade bei lebendigem Leib. Wir hören die Schreie und das Stöhnen der Sterbenden. Wir haben Angst, es herrscht Panik, Wut und Entsetzen. Wir haben junge Soldaten, denen die Tränen in den Augen stehen. Also ein gottverdammtes Horrorszenarium, das vor unseren eigenen Augen abläuft. Und plötzlich stürmt ein amerikanischer Offizier los und eröffnet das Feuer auf die, die das alles begangen haben. Er schießt sie nieder, vielleicht aus Wut, vielleicht aus Trauer und aus Schmerz über seine verlorenen Kameraden. Aber er schlägt zurück, so wie er es in der Ausbildung gelernt hat, er schlägt zurück inmitten dieses grausamen Gemetzels, wie es die meisten unter uns hoffentlich nie erleben werden … Er schlägt zurück.«
Levy hielt inne und ließ seine Worte nachwirken. Dann fuhr er leise fort: »Und Sie, Ma’am, und andere wie Sie wollen ihn des Mordes anklagen? Ich hoffe, ich habe deutlich gemacht, wogegen sich die Empörung auf der Marinebasis in San Diego richtet.«
Jessica Savold war nicht oft so zurechtgewiesen worden. Es verschlug ihr fast die Sprache bei dieser Lektion, die ihr soeben erteilt worden war. Jessica lebte nicht in der wirklichen Welt, sie lebte im Quasi-Fantasiereich der Medienleute. Die kennen nur einige Fakten, von denen manche sogar wahr sein können, aber sie haben nicht die Zeit oder Geduld, nach dem wahren Kern der Ereignisse zu graben, die sie der Öffentlichkeit vermitteln. In diesem Augenblick verstand Jessica, warum ihre Arbeitgeber 5000 Dollar gezahlt hatten, um die Worte eines großen Zeitungsreporters zu hören, eines Mannes mit gewaltiger Erfahrung. »Danke, Mr. Levy«, sagte sie und zögerte. Jeder weitere Gedankenaustausch war ihr vergangen, es war ihr vergangen, erneut wie ein kleines Kind behandelt zu werden.
Geoff erhob sich und nickte ihr zu. An der Tür aber drehte er sich noch einmal zu ihr um und klopfte sich mit der rechten Hand an die Brust. »Mit ganzem Herzen«, sagte er. »Solange Sie nicht mit ganzem Herzen dabei sind, werden Sie es als Reporterin oder Interviewerin verdammt noch mal zu nichts bringen.« Zum Glück für die glücklose Jessica wurde das nicht mehr von den Kameras eingefangen. Und damit verließ er den Raum und eilte zurück in seine Redaktion, um seinen Jungs aufzutragen, (a) den Namen des SEAL-Offiziers herauszufinden, den er insgeheim für einen großen Helden hielt, und (b) Fakten zusammenzutragen, die ein objektiveres Bild von diesem Todesinferno an der Euphratbrücke lieferten.
Allgemeiner Applaus seiner Kollegen, die die Fox-Übertragung gesehen hatten, empfing ihn, als er in der Redaktion eintraf. Sein Stellvertreter sagte: »Geoff, wir werden mit E-Mails überschwemmt, die Hälfte von denen meint, dieser SEAL-Commander sollte nicht vors Militärgericht gestellt werden, sondern die Medal of Honor verliehen bekommen.«
»Das Problem ist nur«, erwiderte sein Boss, »ich weiß nicht, was zum Teufel dort wirklich vorgeht, nur dass sie ihn wegen Mordes vors Militärgericht bringen wollen und viele Jungs in der SEAL-Basis darüber verdammt sauer sind. Und das muss die Stoßrichtung unserer Story werden – die Empörung darüber. Weil wir auf der Seite der Jungs stehen, die in den Kampf ziehen, weil wir für die Navy sind, nicht wie diese Witzbolde in Washington und ihre Schoßhündchen von Journalisten.« Geoff schloss seine kleine Anfeuerungsrede mit den Worten: »Also los, Jungs, beschaffen wir uns einige handfeste
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