Mission auf Leben und Tod
eigenen, von hohen Ziegelmauern umgebenen Anwesen in der Gegend von Les Lices. Sie trafen sich stets im Restaurant L’Ouvrée und gingen dann in ihre Wohnung, wo Marcel ihn gegen drei Uhr abholte.
Dieses wöchentliche Prozedere war nicht gänzlich gefahrlos. Einmal, als sie die Rue de la Monnaie entlanggingen, wären sie beinahe von Claudette ertappt worden, die ihnen auf der anderen Straßenseite entgegenkam. Noch nie in seinem Leben war Henri Foche mit solcher Entschlossenheit in eine Kirche gestürmt. Selbst die steinernen Engelsfiguren an der Außenwand der Kathedrale Saint-Pierre machten beim urplötzlichen Auftauchen des gewohnheitsmäßigen Ehebrechers, Mörders, Lügners und internationalen Waffenschiebers einen erschreckten Eindruck.
Claudette setzte ihm bereits wieder zu. »Mit wem triffst du dich? Und wo? Vielleicht muss ich dich anrufen, kann ja gut sein, falls die Polizei weitere Fragen zu Olivier hat.« Sie hätte es besser wissen sollen. Wenn Henri Foche etwas unter keinen Umständen ausstehen konnte, dann, wenn man ihm in seine Pläne hineinredete. Besonders dann, wenn es Frauen waren, die das taten, und ganz besonders seine eigene Frau.
Er sah auf. »Halt deinen verdammten Mund«, erwiderte er mit Eiseskälte.
»Ich denke, du solltest nicht so mit mir reden«, sagte sie. »Es steht mir zu, Fragen zu stellen. Und politisch befindest du dich in einer sehr schwachen Position.«
Er kochte vor Wut. Keiner machte ihm einen Strich durch die Rechnung, schon gar nicht, wenn es um außerehelichen Sex ging, auf den er sich schon seit Tagen gefreut hatte. Er erhob sich, ging auf sie zu, holte aus und verpasste ihr mit dem Handrücken einen Schlag auf Mund und Nase. Sie wurde nach hinten geschleudert, krachte gegen das Sideboard und rutschte an der Wand zu Boden. Blut strömte ihr aus der Nase und tropfte in den Ausschnitt der noch immer halb offenen Bluse.
Mit geballten Fäusten starrte er auf sie hinunter, während sie, von ihm weggedreht, schluchzend am Boden kauerte. Und dann holte er mit dem rechten Fuß aus und trat ihr mit seinem auf Hochglanz polierten Gucci kräftig in den wohlgeformten Hintern. »Vergiss nicht«, sagte er, »ich bin Henri Foche, der kommende Präsident von Frankreich. Und du bist nichts anderes als eine Hure aus Saint-Germain, der man notdürftig ein paar Manieren beigebracht hat. Ich an deiner Stelle würde das nicht vergessen.« Damit kehrte er in sein Arbeitszimmer zurück.
Es war nicht das erste Mal, dass er sie geschlagen hatte, aber noch nie so brutal wie diesmal. Claudette, die Tochter einer Bäckereigehilfin und eines gewalttätigen Hafenarbeiters, der seine Frau regelmäßig verprügelt hatte, war im falschen Milieu aufgewachsen. Dass sie nun vor den Türen des Élysée-Palastes stand, war kein Zufall. Sie war eine berechnende Prostituierte gewesen, äußerst schön, äußerst wählerisch, und hatte sich nur erstklassige Kunden gesucht. Wie die meisten in ihrem Gewerbe verfügte sie über den impulsiven Drang, zurückzuschlagen, wenn sie sich bedroht fühlte. Sie stand auf, ging in die Küche und griff sich ein gezacktes Brotmesser von Sabatier. Sie zitterte vor Wut, vor Schmerzen und dem Kummer der erlittenen Demütigung.
In seinem Arbeitszimmer sagte sie sehr leise zu ihm: »Henri, wenn du mich noch einmal schlagen solltest, dann, ich schwöre es bei Gott, bringe ich dich um. Mit dem hier. Ich weiß, was du bist, und ich weiß, dass ich in Gefahr schwebe. Aber du bist ein mieser Dreckskerl und hast es verdient, zu sterben. Und mich wirst du nicht so schnell loswerden wie Olivier Marchant.«
Foche blickte auf. Seine Augen wurden schmal. »Solange du deinen Platz in der Welt kennst, wird es keine Probleme geben. Aber nur ein Schritt darüber hinaus, und du wirst es bereuen. Ich habe Wichtigeres zu tun, als mich mit dir zu beschäftigen, also verschwinde und lass dich hier nicht mehr blicken.«
Claudette verließ das Zimmer und knallte so heftig die Tür zu, dass das Haus aus dem 18. Jahrhundert erbebte. Sie zog sich ins Badezimmer zurück und kümmerte sich um die aufgeplatzte Lippe und die noch immer blutende Nase. Sie fühlte sich erschöpft nach ihrem mutigen Auftritt, und sie hatte – wie immer – Angst vor ihrem Mann.
Sie kannte seine Freunde. Sie wusste, wie sehr er auf die beiden Gauner Marcel und Raymond baute. Sie traute ihm nicht nur zu, dass er jemanden umbrachte, sie war überzeugt, dass er bereits jemanden umgebracht hatte und nicht zögern würde,
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