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Mission auf Leben und Tod

Mission auf Leben und Tod

Titel: Mission auf Leben und Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Robinson
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sich jede Woche bei der Arbeitslosenstelle in Bath melden, um ihre Familien mehr recht als schlecht über Wasser halten zu können.
    Wenn bislang alljährlich bei der Fertigstellung einer französischen Fregatte Remsons großzügige Bonuszahlungen überwiesen wurden, hatten die meisten Stahlarbeiter sich davon neue Möbel, neue Autos und neue Kleidung für die gesamte Familie angeschafft. Ihnen allen war klar, dass sie jetzt den Gürtel enger schnallen mussten, jetzt, nachdem hier in einem der unwirtlichsten Landstriche Nordamerikas die Heizkosten explodierten. Einige von ihnen hatten sich tatsächlich bereits mit dem Gedanken getragen, wegzuziehen, vielleicht in eine wärmere Gegend, wo das Leben weniger kostspielig wäre.
    Für die Stahlarbeiter bedeutete der Arbeitsplatzverlust aber auch einen Gesichtsverlust. In der Schiffbauindustrie hat das Wort »Stahl« eine ganz besondere Bedeutung. Niemand sagt, »die Arbeit an einem neuen Kriegsschiff hat begonnen« oder »Remson wird sich nächsten Monat an den neuen Auftrag machen«. Nein, der Tradition gemäß ist in allen Marineverzeichnissen zu neuen Kriegsschiffen aufgeführt: »Erster Stahlschnitt x Monate vor Kiellegung.«
    Hier standen sie also, hundert Männer, jeder von ihnen mit einem Kloß im Hals, konfrontiert mit dem Tag, von dem sie glaubten, er würde nie kommen, konfrontiert mit der Tatsache, dass ihre jahrelange harte Arbeit letztlich nicht mehr zählte.
    Harry Remson wusste, wie sie sich fühlten. Er hatte an diesem Morgen zwei Stunden lang mit seinem Vater telefoniert, und der halsstarrige 86-Jährige hatte das lange Gespräch mit dem gleichen Satz begonnen und beendet: »Sohn, mach, was richtig ist für die Jungs. Gib nicht auf. Bitte gib nicht auf. Es ist deine Pflicht, sie und die Werft zu retten. Streng dich noch mehr an. Schau, ob sich nicht irgendwas auftut.«
    Harry war den Tränen nahe gewesen, als er aufgelegt hatte. Jetzt hatte Judd die Stahlarbeiter wie angewiesen freigestellt. Und er, Harry, musste ihnen irgendwie einen Funken Hoffnung lassen. Dieser Funken Hoffnung, wusste er, ruhte im Verschluss eines Scharfschützengewehrs, mit dem einer von Rauls Dreckskerlen auf einen Menschen anlegte.
    »Jungs«, sagte er, »es ist wohl ziemlich überflüssig, wenn ich erkläre, wie ich mich fühle und wie leid mir das alles tut. Genau wie ihr habe ich nicht geglaubt, dass es jemals so weit kommen würde. Ich kann nur sagen: Ich tue noch immer alles, um den nächsten französischen Auftrag zu bekommen. Ich kann nichts versprechen, weil uns momentan die Hände gebunden sind. Aber es gibt noch eine Chance, es steht ein sehr unangenehmes Treffen in Frankreich bevor. Vielleicht führt es zu etwas. Vielleicht auch nicht. Ich habe euch jedenfalls den Lohn für drei Monate ausbezahlt, und die Bonuszahlungen für Rumpf Nummer 718 sind sicher. Die bekommt ihr Anfang nächsten Jahres. Und wie ihr alle wisst, sind eure Pensionsansprüche hier bei uns in trockenen Tüchern. Keiner wird auch nur einen Dollar zu wenig bekommen. Bevor ihr geht, habe ich noch eine Bitte. Keiner soll im nächsten Monat endgültig abspringen. Vielleicht klappt es ja in Frankreich, und dann werde ich euch alle wieder brauchen. Wenn das passiert, wird es hier ein Fest geben, das man noch in Bath hört.«
    Einige wenige Männer klatschten, ein paar lächelten verlegen. Die meisten der Älteren allerdings ließen alles nur stoisch über sich ergehen – sie hatten sich bereits mit ihrem Schicksal abgefunden.
    »Ich werde euch vermissen«, sagte Harry. »Jeden Einzelnen von euch. Für mich ist es, als würde eine Familie zerbrechen.« Er wandte sich ab und ging.
    Mack begleitete ihn, während Judd noch mit den Männern redete. Die beiden durch ihr geheimes Vorhaben verbundenen Verschwörer gingen hinauf zu seinem Büro.
    Mack trat bereits ein, während Harry noch vor der Tür mit seiner Sekretärin sprach. Der Lieutenant Commander sah hinab auf das französische Kriegsschiff, dann drehte er sich um zur Wand, an der ein gerahmtes Gedicht hing. Verse von Henry Wadsworth Longfellow. Der Titel, geschrieben in altmodischer, eleganter Handschrift, lautete: »The Building of the Ship.« Darunter waren die Zeilen zu lesen:
    Build me straight, O worthy master!
Staunch and strong, a goodly vessel,
That shall laugh at all disaster,
And with wave and whirlwind wrestle.
    Es war das Glaubensbekenntnis der Remsons, Worte, die die Schiffbauer zu Zeiten der großen Klipper inspirierte, der großartigsten

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