Mission auf Leben und Tod
Apfel.«
Anne wechselte das Thema und fragte Mack, wer heute Morgen zu Besuch gekommen war. »Ich hab die zweite Kaffeetasse gesehen.«
»Ach, nur Harry. Er ist nicht lang geblieben. Er hat es immer eilig.«
»Nichts Neues von der Werft?«
»Nein. Er versucht es noch mal mit den Franzosen und meint, vielleicht könnte er den Auftrag für die neue Fregatte noch unter Dach und Fach bringen, bevor die neue Regierung im Amt ist. Aber er gibt sich keinen Illusionen hin. Es hat ihn ziemlich mitgenommen, dass er die Stahlarbeiter freistellen musste. Ich hab ihn noch nie so mutlos erlebt.«
»Es hat in der Stadt für einigen Wirbel gesorgt«, sagte Anne. »Viele sind betroffen. Ich hab mich mit einigen der jungen Leute im Laden unterhalten, einer meint, seine Großeltern werden wohl wegziehen müssen, irgendwohin in den Süden. Sie sind seit fünf Generationen hier.«
»Es ist schrecklich«, erwiderte Mack. »In gewisser Weise ist es für Harry genauso schlimm wie für sie. Er hat das Gefühl, er habe sie alle im Stich gelassen – was sein Vater und Großvater nie getan hätten.«
»Meinst du das auch?«
»Nein. Obwohl ich der Meinung bin, dass es sich schon länger abgezeichnet hat. Das Problem ist doch, Remson ist eine Werft, die sich ausschließlich auf Kriegsschiffe spezialisiert hat, die teuren Angestellten verstehen was von Elektronik, Radar, Sonar, Waffensteuerung. Die Jungs dort wissen, was sie machen. Aber jetzt muss die französische Marine nur anklingen lassen, dass sie sich als potenzieller Kunde zurückzieht, und Remson sitzt auf dem Trockenen. Harry hätte einige drastische Änderungen vornehmen und vielleicht hochseetüchtige Frachter, möglicherweise sogar Kreuzfahrtschiffe ins Programm nehmen müssen. Außer der US-Regierung gibt es kaum Kunden, die an Kriegsschiffen interessiert sind.«
»Ja, wahrscheinlich«, erwiderte Anne gedankenverloren. »Wer weiß, was noch alles kommt.«
Mack lächelte. »Ich sag dir nur eins: Harry hat einen Plan, und ich denke, er hat eine Chance. Mehr kann ich dir nicht sagen. Aber er hat sich mir anvertraut, und ich bin optimistisch.«
»Wirst du in irgendeiner Form für ihn arbeiten?«
»Das ist nicht ausgeschlossen. Er hat mir erzählt, dass die Schließung einer mittelgroßen Werft jahrelange Aufräumarbeiten mit sich bringt. Er will mit einem Freund zusammenarbeiten, mit einem, dem er traut. Einem, der schon mal in einer vertrauenswürdigen Position war. Das würde unsere Probleme lösen.«
»Einige davon«, erwiderte Anne.
Nach dem Essen hatte Tommy einen schweren Übelkeitsanfall. Anne kümmerte sich mehr als eine Stunde um ihn, bevor sie ihn ins Bett brachte. »Er schläft jetzt vielleicht drei, vier Stunden«, sagte sie. »Es kommt alles von der Krankheit. Du solltest ihn nicht mit zum Angeln nehmen, er ist danach nur noch erschöpfter.«
»Gut«, sagte Mack. »Dann geh ich allein – mal sehen, ob ich uns ein Abendessen rausholen kann. Aber er wird wütend sein, wenn er nicht mitdarf. Ich will es ihm gar nicht sagen.«
»Er wird sich überhaupt nicht daran erinnern«, sagte sie. »20 Minuten Baseball, mehr will er vielleicht gar nicht. Und dann kann er sich mit dir um acht noch eine Weile die Red Sox ansehen.«
Mack brachte die Angelausrüstung in den Wagen und fuhr ans Meer. Hier befand er sich nicht auf einem fröhlichen Ausflug mit Tommy, sondern auf einer Mission, bei der von ihm Wachsamkeit und blitzschnelle Entscheidungen gefordert wurden. Er fuhr nach Osten, die Sonne stand schon tief am Himmel, das Wasser funkelte silbern. Wie immer hielt er Ausschau nach den Küstenseeschwalben, den unverwüstlichen kleinen Fischern, die sich nie umsonst ins Wasser stürzten und dort, wo sich Brassen zeigten, in großer Zahl auftraten. Sie hatten es immer auf die silbern aufblitzenden Schwärme dicht unter der Oberfläche abgesehen. Und Mack hatte es auf die großen Kaliber abgesehen, die unter den Brassen ihre Kreise drehten, die Blaufische und Barsche.
Langsam fuhr er an der Küste der langen Kennebec-Bucht entlang. Es herrschte kein Verkehr, die ganze Zeit sah er aus dem Seitenfenster, entdeckte aber keine Küstenseeschwalben. Schließlich steuerte er den Wagen hinunter zur Mündung, zu einer Stelle acht Kilometer südlich von Dartford, wo bei Ebbe Granitfelsen aus dem Wasser ragten.
Die auflaufende Flut hatte die Felsen bereits überspült. Draußen war eine Glockenboje angebracht, die in der leichten Sommerbrise tönte, und auf dem roten Gestell, an dem
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