Mission Clockwork: Angriff aus der Tiefe
Worten, aber Monturiol hatte sich bereits wieder gefangen und ihre Miene verriet keine Gefühlsregung mehr.
Modos Blick schweifte weiter und seine Aufmerksamkeit wurde von den Bullaugen gefesselt, die eine beeindruckende Aussicht auf Neu-Barcelona boten. Als die Kapitänin das bemerkte, erklärte sie: »Wir befinden uns hier am höchsten Punkt der Stadt.«
Modo schaute zu dem riesigen Oberlicht hinauf. Man konnte nicht sagen, ob vielleicht die Sonne schien. Irgendwo dort oben war die wirkliche Welt.
»In Xanadu schuf Kubla Khan / ein prunkvolles Freudenschloss:«, rezitierte er, »Wo Alph, der heilige Strom /durch Höhlen, für Menschenaugen unermesslich groß / zu einem sonnenlosen Meere floss.«
Monturiol und Colette klatschten. »Ach, Coleridge«, sagte Monturiol. »Alle Werke des großen Dichters stehen in unserer Bibliothek.«
Modo tippte sich an die Schläfe. »Ich bewahre sie hier auf. Es ist so, als hätte Icaria sein Gedicht zum Leben erweckt.« Er konnte den berechtigten Stolz in den Augen der Kapitänin sehen.
»Ich gebe zu, dass auch ein englischer Affe gelegentlich ein gutes Gedicht schreiben kann«, sagte Colette und sah Modo durchdringend an, »aber es ist und bleibt eben doch nur Englisch. Ich werde Ihnen bei Gelegenheit einmal ein französisches Gedicht vorlesen. Französisch ist eine so romantische Sprache.« Sie streckte die Hand aus, um einen großen glockenförmigen Gegenstand zu berühren. Er war aus Holz gefertigt und mit Metallbändern verstärkt. Am unteren Rand befanden sich ringsherum Haken, an denen Seile mit Gewichten befestigt waren, damit die Glocke tief ins Wasser sinken konnte. Im Inneren war sie mit Gummi wasserdicht ausgekleidet.
»Das ist eine Taucherglocke«, stellte Colette fest. »Ich war einmal dabei, als Marinesoldaten so eine benutzten.«
»Tatsächlich? Und wo?«, hakte die Kapitänin nach.
»Auf einer Reise mit meinem Vater und dem Botschafter Monsieur Vernier nach Marokko. Wir wurden von Marinesoldaten eskortiert und sie haben die Glocke benutzt, um Gewehre aus einem gesunkenen Schiff zu holen. Die Glocke wird mit Gewichten beschwert, damit sie mit der Unterseite voraus und der darin gefangenen Luft ins Wasser sinkt. Die Taucher schwimmen dann zu der Glocke hinunter und nutzen sie als Sauerstoffstation. So können sie in größere Tiefen vorstoßen.«
»Ja, ein primitives, aber effizientes Hilfsmittel, um sich unter Wasser aufzuhalten. Diese Taucherglocke hier war vor der Küste von Cap de Creus im Einsatz, nicht weit entfernt von dem Haus meiner Kindheit. Kommen Sie.«
Während sie das Museum verließen, fragte Modo: »Warum zeigen Sie uns das alles?«
»Weil ich will, dass Sie die Bestimmung von Icaria begreifen. Hier liegt die Zukunft der Menschheit. Statt uns dort oben um den Unrat zu streiten, arbeiten wir alle gemeinsam im Schoß von Mutter Natur. Alle sind einander gleichgestellt. Die vollkommene Emanzipation von Männern und Frauen, von Starken und Krüppeln.«
Modo musste sich eingestehen, dass er dieselbe Sehnsucht nach einem solchen Utopia empfand.
Monturiol deutete auf ein Bullauge: »Ich weiß nicht, ob Sie die Menschen gesehen haben, die da draußen bei der Arbeit sind. Manche sind schon alt, aber im Wasser schwinden die Jahre. Andere haben Gliedmaßen verloren, aber vom Meer gestützt können sie arbeiten.« Sie schwieg kurz. »Wir werden auch historische und archäologische Museen über die Alte Welt dort oben einrichten, Sammlungen der bedeutendsten Kunstwerke, welche die Menschheit hervorgebracht hat, die Zeichnungen von da Vinci, die Formeln des Galilei. Alles wird hier für die Ewigkeit bewahrt werden.« Sie deutete auf die Skulptur einer nackten Göttin, welche die Arme der Sonne entgegenreckte. »Die Göttin Diana. Wir haben sie im Wrack einer antiken Trireme gefunden.«
Woher stammten nur die Geldmittel für die Errichtung einer solchen Stadt? Modo wurde schon schwindelig, wenn er nur an die Unmengen von Metall dachte, die benötigt wurden. Für einen Kleinstaat wäre es unmöglich, etwas Vergleichbares zu finanzieren: Wie also brachte eine so kleine Schar Menschen die Mittel dafür auf? Dann wurde es ihm schlagartig klar: »Sie finanzieren den Bau der Stadt mit den Schätzen, die Sie in Wracks finden.«
»Ja, Mr Warkin«, sagte Delfina Monturiol und nickte. »Sie haben die richtigen Schlüsse gezogen. Denken Sie nur an all die Kriegsschiffe, mit welchen Menschen im Laufe der Jahrhunderte in See gestochen sind, an die Triremen und
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