Mission Clockwork: Angriff aus der Tiefe
vielleicht von gefallenen Genossen.
Colettes Vater war in Japan beerdigt worden und sie hatte das Grab nur einmal besucht. Sie spürte, wie Tränen in ihr hochstiegen. Und mit einem Mal schien es ihr das Natürlichste von der Welt, ebenfalls niederzuknien und den Kopf zu senken.
Als sie die Augen wieder aufschlug, stellte sie überrascht fest, dass Monturiol neben ihr stand und die Hand ausstreckte. Colette griff danach und wurde auf die Füße gezogen. Dann wandte sich die Kapitänin um und gab das Zeichen zum Weitermarsch.
Colette fror zunächst, doch von den Bewegungen im Wasser wurde ihr warm. Sie fühlte sich etwas benommen und gleichzeitig so glücklich wie schon lange nicht mehr, und fragte sich, ob das irgendwie auf das Gasgemisch in dem Emilia-Gerät zurückzuführen war. Dann aber wurde ihr schlagartig klar, dass die erstaunliche Umgebung dieses Hochgefühl auslöste – sie spazierte über den Meeresgrund! Es gab so viel zu sehen und wahrzunehmen. Irgendwo weit über ihnen schien die Sonne, aber sie drang nur als schwacher Schimmer bis in diese Tiefen vor.
Plötzlich tauchte erneut ein großer Fischkörper über ihnen auf. Panisch sah Colette, wie er geradewegs auf Modo zuschoss und der die Hände hob. Doch im letzten Augenblick wich ihm das große Tier aus und von der Seite erkannte sie, dass es sich um einen Delfin handelte. Er blickte noch einmal zurück und schien ihnen verschmitzt zuzulächeln. Monturiol war stehen geblieben und durch das Fenster ihres Aquahelms sah man sie lachen.
Als sie den Weg fortsetzten, tauchten mit einem Mal vor ihnen mehrere grelle weiße Lichter auf. Colette war perplex. Mit jedem Schritt wurden sie größer und so hell, dass eine Pflanze oder ein Tier als Quelle ausschied.
Sobald sie endlich nah genug herangekommen waren, verschlug es Colette den Atem: In dem hellen Licht vor ihr erstreckte sich das Werk eines Genies, der Inbegriff größter Kühnheit.
21
In Neu-Barcelona
D elfina Monturiol hob die Hände, als wollte sie sagen: »Seht, seht nur, was ich geschaffen habe. Ist es nicht fantastisch?« Und Modo konnte nur zustimmen. Selbst Colette hatte sich nach ihm umgedreht. Dort unten, in einem Tal, erhoben sich zwölf weiße Felstürme. Sie wirkten wie überdimensionale Schlote und um ihre Spitzen sprudelte es. Rings um die Türme gruppierten sich rund zwanzig bronzefarbene Kuppelgebäude unterschiedlicher Größe, als hätte Poseidon eine Handvoll Perlen verstreut.
Es handelte sich um die Anfänge einer Unterwasserstadt! Zwei Menschen in Aquaanzügen waren vor einem Kuppelbau mit Schweißarbeiten beschäftigt. Wie es ihnen gelang, unter Wasser zu schweißen, war Modo jedoch ein Rätsel. Eine dritte Gestalt drehte große Schrauben in eine Stahlplatte. Die Gesamtheit der Bauten glitzerte im Licht – und schien vor Leben zu vibrieren.
Und all das in den Tiefen des Atlantiks!
Sie erreichten eine Treppe, die in den Meeresboden gehauen war, und stiegen sie langsam hinunter. Modo war so damit beschäftigt, die Eindrücke der Stadt in sich aufzunehmen, dass er zweimal stolperte. Die runden Glasfenster waren erleuchtet. Windmühlen – oder vielmehr Wassermühlen – drehten sich auf mehreren Dächern. Der Trupp kam an einem Fahnenmast vorüber. Daran flatterte eine gelb-rote Flagge in der Strömung, um die Fische herumflitzten. Vor einem runden Tor mit einem großen Handrad blieben sie stehen. Cerdà drehte daran, bis die Pforte sich öffnete, und gemeinsam traten sie in eine geräumige Schleusenkammer.
Sobald Cerdà das Tor hinter ihnen geschlossen hatte, legte Kapitänin Monturiol einen Hebel an der gegenüberliegenden Wand der Kammer um: Rauschend und sprudelnd sank der Wasserspiegel. Es dauerte nicht lang und Modos Sichtfenster lag frei, dann stand ihm das Wasser nur noch bis zur Brust, bis zu den Beinen und Sekunden später war die Kammer leer.
Der Anzug fühlte sich jetzt wieder viel schwerer an und seine müden Beine waren weich wie Gummi. Cerdà nahm den Aquahelm ab, befreite dann die Kapitänin von ihrem Helm und anschließend halfen sie gemeinsam Modo und Colette. Zu guter Letzt nahm Cerdà noch dem Genossen Garay den Helm ab.
»Das war herrlich!«, sagte Garay. »Wunderschön und beglückend!«
»Ich bin ganz Ihrer Meinung«, stimmte die Kapitänin zu. »Nichts geht über einen ordentlichen Spaziergang, um einen klaren Kopf zu bekommen.« Mit verschmitzter Miene wandte sie sich an Colette: »Und wie geht es meiner verschlossenen Freundin?
Weitere Kostenlose Bücher