Mission Clockwork
Modo durfte sich nicht von der Traurigkeit überwältigen lassen. Er würde Mrs Finchley wiedersehen, dafür würde er sorgen.
Schweigend saÃen sie nebeneinander. Modos Augen tränten von dem leichten Wind und er schaute aufgeregt in alle Richtungen, versuchte, jeden Baum, jeden Stein und jedes Feld im Vorüberfahren zu erfassen. In seinen Ohren klangen das Schnauben der Pferde und das Gezwitscher der Vögel nach. Vögel! Die Kutsche fuhr so schnell, dass der Erdboden verschwamm und ihm schwindlig wurde, wenn er zu lange nach unten blickte. Sein Magen war aufgewühlt und er umklammerte fest die Sitzbank.
Bald stieÃen Bauern mit ihren Fuhrwerken und andere Kutschen zu ihnen auf die StraÃe. Tharpa zog die Zügel an, damit die Pferde langsamer trabten. Als sie Pferdeäpfel fallen lieÃen, brach Modo in unbeherrschtes Gelächter aus, bis Tharpa ihn stirnrunzelnd anblickte.
Nach einer weiteren Stunde näherten sie sich einer Stadt. Menschen mit Körben marschierten am Wegrand entlang. StraÃenhändler, die ihr Obst und Gemüse verkauften â Modo wusste das aus den Büchern, die er gelesen hatte. Ein Mädchen warf ihm einen neugierigen Blick zu, worauf Modo die Kapuze des Umhangs tiefer ins Gesicht schob und sich vergewisserte, dass seine Maske fest saÃ.
»Wo sind wir?«, fragte er. »Ist das London?«
Tharpa gluckste. »Nein, Junge, das ist lediglich Lincoln.«
Sie kamen an einem Schloss vorbei, das so groà war, dass Modo staunend den Mund aufriss. Die Inhalte der Bücher, die er verinnerlicht hatte, wurden vor seinen Augen lebendig, aber die Abbildungen waren so trügerisch klein gewesen. Eine Magd schleppte eine prall gefüllte Kleidertasche den Hügel hinauf, gefolgt von einer Frau in einem vornehmen blauen Kleid und einem korpulenten Herrn mit Spazierstock. Wohin Modo auch blickte, überall tauchten neue Gestalten auf, mehr Menschen, als er überhaupt zählen konnte.
Wenig später machten sie vor dem Bahnhof halt und Modo erhaschte einen ersten atemberaubenden Blick auf eine Dampflokomotive. Das eiserne Ungeheuer lieà die Trauben von Passagieren wie Zwerge erscheinen. Er half beim Abladen des Gepäcks. Dann brachte Tharpa die Kutsche zu den nahe gelegenen Mietstallungen, während Modo die Rolle des pflichtbewussten Dieners spielte und das Gepäck hinter seinem Herrn hertrug. Er starrte den Zug an und zählte acht Waggons hinter der Lokomotive. Mr Socrates erwarb drei Fahrscheine erster Klasse und ging Modo voraus zwischen den wartenden Menschenschlangen hindurch zum ersten Waggon, wo ein privates Abteil auf sie wartete.
Die Tür aus poliertem Mahagoni zierte eine silberne Klinke. Modo öffnete, um Mr Socrates eintreten zu lassen. Sobald Modo das Gepäck hineingewuchtet hatte, setzte er sich Mr Socrates gegenüber auf den gepolsterten Sitz und starrte staunend aus dem Fenster. Männer, Frauen und Kinder bewegten sich durch die Dunstwolken, welche die Dampflokomotive ausstieÃ, als kämen sie geradewegs aus einer Zauberwelt herausspaziert. Niemand achtete auf ihn, aber vielleicht konnten sie ihn hinter der Scheibe gar nicht sehen. Nach einigen Minuten traf Tharpa ein und nahm neben Modo Platz.
Ein kräftiger, langer Pfiff ertönte und der Zug nahm mit einem Tschuk Tschuk ruckelnd Fahrt auf. Modo zitterte vor Aufregung. Der Zug wirkte lebendig, wie er da sein ganzes Gewicht die Schienen entlangzog. Dampfkraft hatte Modo von jeher fasziniert. Er hatte alles darüber gelesen, was er in die Finger bekam, und Mr Socrates und Mrs Finchley angebettelt, ihm mehr Bücher zu dem Thema mitzubringen. Ãberall im britischen Weltreich wurden Lokomotiven und Schiffe mit Dampfkraft angetrieben â es war wirklich verblüffend. Modo dachte an den Heizer, der Kohlen in die Feuerbüchse schaufelte, an die Hitze, die den Dampf durch den Schieberkasten presste, und den riesigen Kolben, der durch den Dampfdruck bewegt wurde und den Zug vorwärtszog.
»Welche Kraft ist wohl nötig, um diesen Zug fortzubewegen?«, fragte Mr Socrates.
Modo zählte mithilfe seiner Finger. Wie viele Waggons gab es? Acht. Man hatte ihn geschult, sich Details zu merken. Er machte sich daran, zu kalkulieren, welcher Zugkraft es bedurfte. Wie viel mochte die Dampflok wiegen? Wie viel einer der Waggons? Er konnte es nur schätzen. Und dann mussten noch die Passagiere mit einberechnet werden.
»Eine Zugkraft
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