Mission Clockwork
von fünfunddreiÃigtausend Kilo ist nötig, um ihn fortzubewegen, Mr Socrates«, erklärte er.
»Gut gemacht, Modo. Ich bin immer wieder von deinen mathematischen Fähigkeiten beeindruckt.«
Modo nestelte gedankenverloren an seiner Maske.
»Behalte die Maske auf für den Fall, dass ein Zugdiener vorbeikommt«, mahnte Mr Socrates. »Du darfst nicht vergessen, was du jetzt bist, Modo. Ich habe dich schon gewarnt: Das könnte über Leben oder Tod entscheiden.«
Leben oder Tod? Modo senkte die Hände und lieà sich in den Sitz zurückfallen. Was sollte das bloà bedeuten? Neben ihm saà Tharpa und blickte aus dem Fenster.
Der Zug hatte seine Höchstgeschwindigkeit erreicht. Modo beobachtete, wie die Welt vor dem Fenster verschwamm. Er hatte schon die Kutsche als schnell empfunden, aber eine Zugfahrt war, als würde man auf einem Geschoss vorwärtskatapultiert. Ihm wurde flau im Magen bei dem Versuch, die Augen weiterhin auf die vorüberziehende Landschaft zu richten.
Mr Socrates reichte ihm eine Zeitung. »Ich habe die neueste Ausgabe der Times . Du kannst sie während der Reise lesen.«
Modo griff erfreut danach. Er hatte unzählige Ausgaben der Zeitung gelesen, doch sie waren immer mehrere Tage oder Wochen alt gewesen. Und nun saà er hier in einem Zug nach London und las die Times  â von heute!
Auf der ersten Seite standen ein Artikel über die Verabschiedung eines Gesetzentwurfs im Parlament und ein Bericht über sibirische MammutstoÃzähne, die im Londoner Hafen eingetroffen waren. Er betrachtete fasziniert die Abbildungen. Darunter fand sich eine kurze Mitteilung, dass man die Leiche eines Mannes in der Themse gefunden hatte. Modo fragte sich, wie der Mann wohl gestorben war. Er blätterte um in der Hoffnung, mehr zu erfahren, aber dann fesselte eine andere Schlagzeile seine Aufmerksamkeit.
Â
Wolfsjunge im Regentâs Park aufgefunden
Â
Der Zimmermann Henry Carr befand sich im Regentâs Park auf einem Spaziergang, als er ein Geräusch vernahm, das er als ein lautes Knurren beschreibt. Als er sich genauer umsah, entdeckte er in den Bäumen einen kleinen, nackten und schmutzigen Jungen, der statt Worten lediglich ein Knurren hervorbrachte. Mr Carr gelang es, das Wolfskind zu überwältigen und der behördlichen Obhut zu übergeben. Mittlerweile wurde der Junge als eines der Kinder identifiziert, die von Waisenhäusern als vermisst gemeldet waren. Dr. Severn, der das Kind untersuchte, machte überdies eine verblüffende Entdeckung: Der Junge weist mehrere saubere Schnitte an den Schultern auf, die erst kürzlich fachkundig genäht wurden. Wer dies getan hat und warum, ist nach wie vor ein Rätsel.
Â
Modo fasste sich an die eigene Schulter, spürte den Ansatz seines Buckels. Er wünschte, ein Chirurg würde den Buckel entfernen. Ob der kleine Junge in dem Zeitungsbericht sich so unansehnlich fühlte wie er selbst? Hatte ihn das dazu getrieben, wie ein wildes Tier zu leben?
Er blickte von der Zeitung auf und bemerkte, dass Mr Socrates ihn fest anblickte.
»Nun, Modo, erzähl mir, was du gelesen hast.«
Modo holte tief Luft, was ein pfeifendes Geräusch zwischen seinen krummen Zähnen erzeugte. Er sollte auf die Probe gestellt werden.
»In London sind MammutstoÃzähne eingetroffen.«
Mr Socrates nickte. »Von einem erdgeschichtlichen Standpunkt aus interessant. Was noch?«
»Ãh, im Parlament wurde ein Gesetz verabschiedet über â¦Â«, seine Stimme versiegte.
»Sie verabschieden ständig Gesetze, während andere sich der schwierigen Aufgabe widmen, dieses Land zu regieren. Das ist nichts Neues.«
»In der Themse wurde eine Leiche gefunden«, brachte Modo als Nächstes vor.
»Tragisch, aber recht alltäglich. In London leben über drei Millionen Seelen. Man kann nicht von allen ein zivilisiertes Verhalten erwarten. Hat sonst noch etwas in der Zeitung deine Aufmerksamkeit erregt?«
»Ein Wolfskind wurde im Park gefunden.«
»Ja, das ist in der Tat eine kuriose Angelegenheit. Was könnte bei einem kleinen Jungen einen derartigen Zustand hervorrufen? Das frage ich mich. War seine Rückentwicklung ein naturhafter Vorgang? Oder war er das Ziehkind irgendeines wilden Tieres? Die Art und Weise, wie ein Kind aufgezogen wird, bestimmt sein gesamtes Leben.«
Jetzt verstand Modo, welche Lehre er daraus ziehen
Weitere Kostenlose Bücher