Mission Clockwork

einer Woche ein Kind verschwunden. Hatte es Varney, der Vampir, geholt? Der Junge war jünger gewesen als Oppie und hatte wahrscheinlich kurze, langsame Beine. Ich laufe jedem davon, dachte Oppie. Und außerdem gelangte er auf diesem Weg schneller in die Exeter Street. Er verscheuchte eine Katze und lief weiter.
    Plötzlich hörte er Vogelgezwitscher und verlangsamte seine Schritte. Das Tschilpen passte nicht in das düstere Licht zwischen den Häusern mit den geschlossenen Fensterläden. Unzählige Nachttöpfe waren schon in den Abflussgraben geleert worden und der Gestank ließ seine Augen tränen. Er entdeckte etwas silbrig Funkelndes auf einer kaputten, verrosteten Öllampe. Als er näher kam, erkannte er, dass es ein Spatz aus Metall war, der da auf dem Rand der Lampe saß. Es war ein mechanischer Spielzeugvogel, der vor sich hin zwitscherte. Der musste ein Vermögen wert sein! Wenn er ihn verkaufte, könnte seine Familie von dem Geld einen Monat lang leben. Wer hatte ihn bloß hier zurückgelassen, wo ihn irgendein Langfinger einfach mit einem schnellen Griff klauen konnte? Vielleicht war es eine Falle und die Bobbys hatten den Vogel als Köder platziert? Oppie sah sich verstohlen um, entschied, dass er unbeobachtet war, und streckte die Hand nach dem Vogel aus. Doch er griff ins Leere. Der Spatz war davongehüpft. Er stürzte sich nochmals auf das Spielzeug und diesmal flatterte der Vogel auf irgendein Rohr, das aus dem Mauerwerk herausragte.
    Â»Ich werd nich’ mehr«, flüsterte er und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Der Metallvogel rollte mit seinen lebensechten Augen, verspottete ihn. »Du musst träumen, Oppie.« Er kniff ein Auge zu, als würde er ihn mit einer Waffe anvisieren, machte dann einen Satz und griff hektisch nach dem Vogel.
    Diesmal flatterte der Spatz hoch in die Luft, drehte sich zweimal um sich selbst und landete dann zwei Meter entfernt. Er pickte im Kreis herum, als suchte er nach Körnern, und verschwand schließlich hinter einem Hausvorsprung in der Gasse.
    Oppie flitzte hinterher und entdeckte den Spatz auf einer kaputten Lattenkiste, wo er sich den Schnabel an einem seiner Flügel rieb. Er blickte Oppie an und piepte eindringlich. Was für ein wundersamer Mechanismus trieb ihn an? Als Oppie näher heranrückte, flatterte er bis auf seine Augenhöhe hoch und schwirrte die Gasse hinunter. Oppie begann zu rennen, war nur ein oder zwei Schritte hinter dem glitzernden Vogel und berührte einmal sogar seine metallischen Schwanzfedern mit den Fingerspitzen. Als er in einer Türöffnung verschwand, folgte ihm Oppie, ohne nachzudenken.
    Der Spatz landete auf der ausgestreckten Hand eines Mannes. Oppie blickte zu ihm hoch. Er war gekleidet wie ein Gentleman, mit einem Zylinder und allem, aber er hatte langes, weißes Haar wie der Nikolaus. Seine Haut war bleich.
    Â»Gefällt dir mein kleiner Vogel?«, fragte er.
    Â»Ja! Der ist ein echtes Wunderwerk. Ich wollte ihn nich’ stehlen, ehrlich!«
    Â»Ich glaube dir.« Der alte Mann legte ein Körnchen auf seine Handfläche und der Spatz pickte daran. »Ich bin Dr. Cornelius Hyde und freue mich, ein Prachtexemplar von einem jungen Mann wie dich kennenzulernen.«
    Â»Ich freue mich auch, Meister.«
    Der Mann griff in die Tasche seines Paletots und holte einen zweiten Spatz hervor, den er auf seine andere Hand setzte. Er tschilpte. »Hättest du gern selbst so einen Vogel?«
    Oppie nickte.
    Â»Dann komm mit mir.«
    Oppie zögerte. Seine Mutter wollte nicht, dass er mit Fremden mitging. Aber ein eigener Vogel! Vielleicht sogar zwei! Er könnte mit ihnen spielen und sie später zu einem guten Preis verkaufen. Mum würde ihm über den Kopf streichen, ihn umarmen und sagen: »Herzchen, du bist’n guter Junge.«
    Der Mann setzte sich auf jede Schulter einen Vogel, öffnete eine Tür und ging einen Korridor hinunter, während die Spatzen zwitscherten und ihre lebhaften Murmelaugen Oppie hypnotisierten, der sich beeilte, hinterherzulaufen.

 
10
    Â 
    Ein freundliches Verhör
    Â 
    Â 
    W wwe.«
    Die kratzige Stimme hallte neben ihm in der Dunkelheit wider. Modo konnte nicht sagen, woher sie kam.
    Â»Wwwe is …«
    Seine Kehle war völlig ausgedörrt und sein Kopf pochte. Schatten zogen an seinen Augen vorbei, doch es schmerzte zu sehr, sie offen zu halten. Er schloss sie