Mission Erfolg - Meine Vision mein Plan mein Weg
nur kann.« Dann schwärmte er meist noch von den ersten Spielen, an die er sich erinnern konnte: »Die Spiele 1988 in Seoul. Da war ich zehn Jahre alt. Ich erinnere mich noch genau an das Hundertmeterrennen. Das Duell zwischen Ben Johnson und Carl Lewis. Auch wenn Ben Johnson ein bisschen illegal gewonnen hat – wie der aus dem Startblock geflogen ist. Ungeheuerlich. Das war für mich als Kind unbegreiflich.«
Einen geeigneteren Kandidaten als Dirk hätte es für das Amt des Fahnenträgers wirklich nicht geben können. Im Vorfeld war die Entscheidung für ihn jedoch kräftig kritisiert worden. Die ehemalige Kanutin Birgit Fischer etwa hatte gemotzt: »Dirk Nowitzki ist ein toller Mensch, ein toller Sportler, aber da sollte man doch bei den Traditionen bleiben und gestandene Olympioniken nehmen. Ich denke da an die Schützen und Reiter. Von den Schützen hat noch nie einer die Fahne getragen und das sind großartige Sportler, die lange dabei sind und auch oft Gold geholt haben.« Aber wer Dirk beim Einzug der Athleten gesehen hat, muss die Entscheidung gutgeheißen haben. So aufgelöst und glücklich habe ich ihn nur selten gesehen. Er genoss jede Sekunde. Dieses Gefühl für Deutschland, für sein Heimatland, die Fahne zu schwenken, gab ihm so viel – wie all den anderen auch, die dabei waren. Deshalb wäre es für mich auch niemals infrage gekommen, freiwillig auf die Eröffnungsfeier zu verzichten, wie es einige Sportler ja getan haben. Bei den Handballern beispielsweise war die Teilnahme heiß diskutiert worden. Bundestrainer Heiner Brand war lange Zeit dagegen gewesen, weil sein Team am darauffolgenden Tag spielen musste. Der Turner Fabian Hambüchen verzichtete auch auf den Einmarsch, weil er fürchtete, ihm würde am nächsten Tag bei seiner Qualifikation die Kraft fehlen. So nachvollziehbar die Argumente auch alle klangen, so schwierig ist die Entscheidung. Denn eine Eröffnungsfeier von Olympischen Spielen ist so einzigartig, dass man sie mitnehmen und jeden Moment aufsaugen muss. Dieses Gefühl, vor 91 000 Zuschauern beim bedeutendsten Sportwettbewerb der Welt einzulaufen, ist durch nichts zu ersetzen. Es erzeugt ein Wir-Gefühl bei allen deutschen Athleten, wie es keine 20 Motivationstrainer zusammen erreichen würden. So anstrengend es auch sein mag, stundenlang auf den Einmarsch zu warten, so kraftzehrend die Warterei vielleicht erscheint – am Ende ist der Körper so voller Glücksgefühle, dass man Bäume ausreißen könnte. Danach braucht kein Sportler der Welt mehr den »Schuss in der Arm«, um sich zu Topleistungen zu motivieren. Von so einer Erinnerung kann man sein ganzes Leben zehren. Diejenigen Sportler, die der Eröffnungsfeier fernbleiben, haben eine Entscheidung für eine möglicherweise bessere Leistung und gegen eine wundervolle Erfahrung getroffen. Davor muss man den Hut ziehen. Ob es in der Abwägung allerdings wirklich der richtige Entschluss war, kann nur jeder für sich beantworten.
Als Trainer würde ich nie einem Sportler die Eröffnungsfeier verbieten. Für mich käme das dem Verbot gleich, bei der Geburt des eigenen Kindes dabei sein zu dürfen. Mehr noch. Ich würde sogar meine Sportler anweisen hinzugehen, es sei denn, wir müssten gleich am Tag nach der Eröffnungsfeier spielen. Das wäre ein wirkliches Dilemma. Aber prinzipiell ist mir die Veranstaltung so wichtig, dass ich anfangs tatsächlich überlegt habe, meine Tochter Kim nach Peking mitzunehmen, um ihr die Olympischen Spiele hautnah vor Ort zu zeigen. Damit sie sehen könnte, was man erreichen kann, wenn man außergewöhnliche Leistung bringt. Dass auf einen ganz besondere Belohnungen warten, wenn man sich für etwas richtig ins Zeug legt. Da Kim zu dieser Zeit auf einer Schule mit Schwerpunkt Sport war, wäre das durchaus sinnvoll gewesen – aber letztlich wollten wir sie kurz vor dem Abi dann doch nicht so lange aus der Schule nehmen.
»One World, One Dream – eine Welt, ein Traum«, so lautete das Motto der Spiele. Es war tatsächlich unser gelebter Traum. Wir hatten alle von der Teilnahme geträumt, nicht aber von einer Medaille. Wobei ich es uns mit einer vernünftigen Vorbereitung schon zugetraut hätte, um eine Medaille mitzuspielen. Aber wir hatten keine vernünftige Vorbereitung. Und meine Spieler waren keine Roboter. Zwischen dem Qualifikationsturnier in Athen und unserem ersten Spiel bei Olympia gegen Angola lagen lediglich drei Wochen. Ein zu langer Zeitraum, um ein Team auf einem Topniveau zu halten.
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